Wiens Stadtwanderwege sind zu kurz, um wirklich weit zu kommen. Aber mit Stadtwanderweghopping kommen ein paar Kilometer zusammen.
Die Wiener Sozialdemokratie neigt ja dazu, die Menschen von der Wiege bis zur Bahre zu begleiten. Warum sollte das also in der Freizeit anders sein? Der gütig strenge Blick von Stadtwanderwegsstadträtin Ulli Sima und die rote Linie, die auf der Anzeigetafel den Weg markiert, bieten Orientierung auf dem Weg durch Wiens markierte Wanderwege. Tatsächlich sind die vorgeschlagenen Routen für Wanderungen ganz brauchbar. Wenn das Leistungsprinzip sich meldet, stößt man allerdings schnell an die Grenzen der Wege.
Der Stadtwanderweg 3 zum Beispiel, der von Neuwaldegg durch den Schwarzenbergpark über das Hameau und die Stempelstelle (und Einkehrmöglichkeit) Häuserl am Roan wieder zurückführt, hat gerade einmal rund zehn Kilometer. Für eine kleine Wanderung ganz gut, aber wenn man mehr will, muss man improvisieren. Im Fall des Stadtwanderwegs 3 kann das zum Beispiel bedeuten, beim Häuserl am Roan kurz innezuhalten – und bei großartigem Blick über Wien mit einem Gedanken an die Stadträtin „I want to break free“ zu trällern. Und dann eben nicht den Abstieg Richtung Salmannsdorfer Straße und Michaeler Wald zu nehmen, wie es die rote Linie vorgegeben hat.
Hätte die Stadt eine Wanderwegsrebellionsmeldestelle, würde nun also Alarm ausgelöst. Aber keine Sorge, bald kehrt in der fiktiven Amtsstube wieder Ruhe ein, denn nach wenigen Minuten signalisiert das Schild „Stadtwanderweg 2“, dass man wieder im wohligen Schoß der Stadt seine Schritte setzt. Hielte man sich an die Regie der Stadt, startete man in Sievering und ginge über die Salmannsdorfer Höhe bis zur Höhenstraße, vom 3er-Weg kommend steigt man eben knapp oberhalb ein.
Wiens höchster Punkt. Durch ein gemütliches Waldstück geht es entlang der Grenze zu Niederösterreich bis zum „Grüass di a Gott“-Wirt. Von dort beginnt ein etwas intensiverer Aufstieg. Muss auch so sein, immerhin will man auf den höchsten Punkt Wiens, den Hermannskogel. Von hochalpinem Gefühl ist man auf 542 Metern natürlich weit entfernt – das ändert sich auch nicht, wenn man auf die Aussichtsplattform der 27 Meter hohen Habsburgwarte steigt. Aber der Rundumblick ist es jedenfalls wert.
Wer ohne Bergschuhe, dafür mit wackeligen Knien unterwegs ist, sollte dann wieder ein paar Meter zurückgehen und Ulli Simas Route folgen – alle anderen können an der Warte geradeaus vorbei den zeitweise steilen Weg hinab zur Jägerwiese nehmen. Danach bietet sich ein Almdudler gespritzt im Gasthaus zum Agnesbrünnl an. Vielleicht auch ein bisschen entspannen auf der Liegewiese. Wobei man eigentlich gleich weitergehen könnte, denn große Anstrengungen kommen jetzt kaum mehr. Bei der Kreuzeiche verlässt man den Stadtwanderweg 2 und folgt den Wegweisern Richtung Kahlenberg – um plötzlich wieder von Ulli Sima eingefangen zu werden. Stadtwanderweg 1. Der würde an sich bei der Endstation des D-Wagens beginnen, beim Hopping steigt man halt entlang der Höhenstraße ein. Am Sender vorbei geht es zum Café Kahlenberg – da darf man ruhig einen Blick über die Aussichtsterrasse werfen. Aber dann rasch weiter – man will ja noch den Stadtwanderweg 1a bewältigen.
Er geht über den Leopoldsberg – und die berüchtigte Nase hinunter Richtung Donau. Die wäre bergauf hart für die Kondition, bergab leiden eher die Knie. Ziemlich steil, aber von der Stadt approbiert, also machbar. Am Ende wird es aber noch flach – über die Donaustrandpromenade bis zum Nußdorferplatz. Am Ende hat man rund 18 Kilometer hinter sich. Und das Gefühl in sich, ein Wanderrebell zu sein. Na ja, kann man sich zumindest einreden.
Wege
Stadtwanderweg 3.Start und Ziel Endstelle Linie 43 Neuwaldegg, 10,5 km.
Stadtwanderweg 2.Start und Ziel Endstelle Linie 39A Sievering, zehn km.
Stadtwanderweg 1.Start und Ziel Endstelle Linie D, elf km.
Stadtwanderweg 1a.Start Nußdorferplatz, Ziel Endstelle Linie D, elf Kilometer.
Stadtwanderweghopping. Start Endstelle Linie 43 Neuwaldegg, Endstelle Nußdorferplatz, 18 km.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2017)