Krebstod nach Spenderniere: Schlampigkeit im LKH?

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Ein Grazer stirbt, nachdem er eine Niere mit Metastasen implantiert bekommt - dabei hätte das Krankenhaus Klagenfurt diese erkennen müssen, sagt ein Gutachter der Familie und stellt die Kompetenz des Spitals infrage.

Ein Steirer stirbt an Krebs, nachdem er eine Niere mit Metastasen transplantiert bekommt - nun erhebt die Familie Vorwürfe gegen das Krankenhaus Klagenfurt: Demnach waren beim Spender, einem 58-jähriger Villacher, mehrere Organe mit Metastasen befallen. So wurden u.a. in Lunge und Milz zwei Zentimeter große Tumore festgestellt, in der Harnblase waren die Tumore sogar fünf Zentimeter groß. Weil man den Krebs im LKH Klagenfurt nicht entdeckt hatte, wurde dem steirischen Dialyse-Patienten Manfred Lassbacher in Graz die Niere eingesetzt.

"Es stellt sich die Frage, wie kompetent waren die Untersuchungen, das man so etwas übersehen hat", sagte Chirurg Georg S. Kobinia, der im Auftrag der Familie ein Privatgutachten erstellt hat, bei einer Pressekonferenz in Wien. Der Villacher wurde zunächst in seiner Heimatstadt behandelt und danach am 10. Juni 2007 für die Organentnahme in das LKH Klagenfurt überstellt. Seine Nieren wurde daraufhin an zwei mögliche Empfänger in Graz weitergegeben.

Spender war "Risikopatient"

Beim Ultraschall in Klagenfurt wurden die Metastasen des 58-Jährigen nicht entdeckt. Dabei handelte es sich nicht um ein junges Unfallopfer sondern laut Kobinia um einen "Risikopatienten", der unter einer Leberzirrhose litt, starker Raucher war und schlussendlich an einer Gehirnblutung starb. Auch den "suspekten Befunden" zuvor im Landeskrankenhaus Villach - u.a. schlug ein Tumormarker an - wurde nicht nachgegangen. Die Schuld sieht die Anwältin der Familie, Karin Prutsch beim LKH Klagenfurt.

Die erste Niere wurde Lassbacher dann in der Nacht auf 14. Juli 2007 eingesetzt. Bei der Transplantation der zweiten Niere, die ein 28-Jähriger bekommen sollte, wurden die Metastasen schließlich entdeckt. "Der junge Mann hatte das Glück, dass er der zweite im Operationssaal war", sagte Prutsch. Die Ärzte schlugen Alarm.

Zwölf Stunden später wurde Lassbacher die ebenfalls im Mikrobereich metastasierte Niere wieder entnommen. Zwei Jahre später, im April 2009, starb der Steirer an Krebs. "Das Organ war bereits an den Blutkreislauf angeschlossen", sagte Prutsch. Eine DNA-Analyse zeigte, dass das Tumorgewebe von Lassbacher morphologisch ident mit jenem dem Spendertumors sei, sagte Kobinia.

Keine Anzeige gegen Krankenhaus

Anzeige gegen das Klagenfurter Krankenhaus wurde nicht erstattet. Man möchte für die Witwe und den Sohn von Manfred Lassbacher eine außergerichtliche Einigung auf Schadenersatz. "Der Grund, warum ich hier sitze, ist, den Weg meines Vaters weiterzugehen, seine Tapferkeit weiterzuführen und damit so etwas nie wieder passiert", sagte Lukas Lassbacher.

Als "bedauerlichen Vorfall" hat der medizinische Direktor des Landeskrankenhaus Klagenfurt, Peter Lind, den Tod des Steirers bezeichnet. Man habe sich bei der Organentnahme in Klagenfurt rechtmäßig und gemäß den internationalen Richtlinien verhalten, üblich sei vor Transplantationen eine Ultraschalluntersuchung des vorgesehenen Organs, erklärte Lind am Donnerstag.

In solchen Fällen bleibt den Ärzten ein Zeitfenster von etwa einer halben Stunde. "Eine andere Untersuchung als ein Ultraschall geht sich zeitlich nicht aus. Der Nachteil ist, dass dadurch Tumore oder Läsionen im Millimeterbereich und mit der selben Dichte wie das Organ nicht zum Vorschein gebracht werden können", erklärte der Mediziner.

Anwalt: Zeitfenster wesentlich länger

Die Anwältin der Familie spricht von einem anderen Zeitfenster: "Der Spender ist dort drei Tage lang auf der Intensivstation gelegen. Da hätte man Zeit genug gehabt, diese suspekten Befunde weiter zu verfolgen", so Prutsch. Lind meinte zudem, dass die Ärzte auch bei der Explantation die Ärzte nichts sehen hätten können, da die Niere von Fettgewebe umgeben ist und man deshalb das Organ nicht sehe.

Trotz dieses Vorfalls glaubt Lind nicht, dass sich die Vorgehensweise in solchen Fällen ändern wird: "Ich glaube nicht, dass man in Zukunft andere Diagnosemechanismen einbauen kann." Der Zeitrahmen würde spezielle Krebsuntersuchungen einfach nicht zulassen. Der Spender des Organs war an einer Gehirnblutung gestorben.

Gutachter Kobinia ist da anderer Meinung: Die Art der Untersuchung vor Explantationen müssten sich ändern. "Das wäre der nächste Schritt", so der Mediziner. Die Untersuchungen müssten um ein CT oder MRT erweitert werden.

Primar sieht keinen Fehler

Keine Möglichkeit, Organe vor der Transplantation nach Mikrometastasierungen zu untersuchen, sieht der Chef der Universitätsklinik Graz, Karlheinz Tscheliessnigg. Das Ergebnis entsprechender Analysen würde erst nach mehreren Tagen vorliegen.

Der Grazer Primar wies jegliche Vorwürfe der Leichtfertigkeit an seiner Transplantationsstation von sich: "Wir haben die Niere von einem 57-jährigen Mann in Klagenfurt entnommen. Untersucht wurde sie von den Medizinern dort. Die dortigen Untersuchungsergebnisse haben auf keinerlei Auffälligkeiten hingewiesen", so Tscheliessnigg am Donnerstag. Von möglichen Mikrometastasierungen konnte niemand ausgehen, meint Tscheliessnigg.

Nachdem die Grazer Chirurgen nach der ersten Transplantation in der zweiten Niere durch einen Sichtbefund einen verdächtigen Knoten entdeckt hatten, sei die transplantierte Niere "unmittelbar wieder ausgebaut" worden, so der Primar. Die Anwältin der Familie des Verstorbenen sah die Schuld beim LKH Klagenfurt. Organe eines Krebspatienten dürfen nicht transplantiert werden, sagte Chirurg und Gutachter Georg S. Kobinia zuvor in einer Pressekonferenz in Wien.

Laut Tscheliessnigg gibt es ihm keine bekannte, in der Transplantationsmedizin sinnvoll einsetzbare Möglichkeit, Mikrometastasen, wie sie die Spenderniere befallen hatten, im Vorfeld einer Transplantation zu entdecken. "Eine Tumormarkeranalyse dauert drei bis vier Tage, bei einer Organtransplantation geht es um Stunden", erklärte Tscheliessnigg. Bei der zweiten Niere habe man die Metastase in Graz durch Sichtbefund nach Entfernung der Fettkapsel entdeckt und sofort Alarm geschlagen. Aus seiner Sicht habe die "Grazer Transplantationschirurgie ihre Arbeit getan und ein gutes Krisenmanagement geleistet".

An der Grazer Universitätsklinik für Chirurgie werden laut Tscheliessnigg jährlich 50 bis 60 Nieren transplantiert. Im Vorjahr feierte man die Transplantation der tausendsten Niere, seit dieser Eingriff im Jahr 1968 erstmals angewandt wurde. Die Überlebensrate nach einem Jahr liege bei 94 Prozent, nach fünf Jahren bei 91 bis 92 Prozent, nach zehn Jahren bei 87 Prozent. Laut dem Grazer Primar warten Patienten derzeit "eineinhalb bis zwei Jahre" auf ein für sie entsprechende Spenderniere.

(APA)

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