Vegetarier: Aus Mitleid mit dem Tier

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Österreichs Vegetarier und Veganer sind jung, gut ausgebildet, leben in großen Städten und sind weiblich. Sie verzichten auf Fleisch vor allem aus Sorge um die Tiere – und vermissen allenfalls Speck.

Wien. Österreich ist und bleibt eine Nation der Fleischesser, berichtete die „Presse“ erst am Mittwoch. Wo die einen zunehmend auf Fleisch verzichten, machen das die anderen mit ihrem Konsum wett. Dabei ist es gerade die Sorge um das Wohl der Tiere, die Österreichs Vegetarier und Veganer erst zu solchen werden lässt.

Das ist das Ergebnis einer Studie von Marketagent, die sich unter anderem mit den Motiven der Fleischverweigerer beschäftigt hat. Auslöser für die Ernährungsumstellung seien Berichte über Massentierhaltung gewesen, gab fast die Hälfte der 522 befragten Vegetarier und Veganer darin zu Protokoll. Gesundheitliche Gründe waren nur für ein Viertel ausschlaggebend.

Umwelt vor Gesundheit

Dieser Motivation bleiben die fleischlos Essenden später treu: Tierquälerei und die Zustände in der Tierhaltung sind für fast drei Viertel das Hauptmotiv, gefolgt vom Argument, dass „für mich keine Tiere sterben sollen“ (63 Prozent). Die Hälfte bezieht sich außerdem auf den Umweltschutz. Aus gesundheitlichen Gründen lebt nicht einmal ein Drittel fleischlos.

Wobei die eigene Gesundheit eher noch für Männer eine Rolle spielt als für Frauen. Und diese sind unter den Vegetariern und Veganern deutlich stärker repräsentiert: Jung, weiblich, gut ausgebildet und städtisch lebend seien sie, so die Studie. Gut drei Viertel der Befragten sind Frauen, 65 Prozent haben Matura oder einen Universitätsabschluss – in der Gesamtbevölkerung haben das nur 28 Prozent. Der größte Anteil an Vegetariern und Veganern findet sich in der Gruppe der 20- bis 29-Jährigen und geografisch gesehen in Wien. Und: Von zehn Befragten leben acht vegetarisch, zwei verzichten ganz auf tierische Produkte wie Milchprodukte oder Eier. Insgesamt wird geschätzt, dass 5,7 Prozent der Österreicher vegetarisch oder vegan leben.

Als Nachteile sehen sie vor allem die Schwierigkeit, auswärts zu essen – wobei das für Veganer (60 Prozent) wenig überraschend stärker gilt als für Vegetarier (40 Prozent), die leichter etwas auf der Karte finden. Auch „geringe Akzeptanz in der Gesellschaft“ macht Veganern eher zu schaffen – während ein möglicher Nährstoffmangel eher Vegetariern (25 Prozent) als Veganern (21 Prozent) Sorgen bereitet. Insgesamt geben 17 Prozent an, schon einmal Probleme damit gehabt zu haben, vor allem Junge und Frauen. Ein Drittel der Befragten nimmt Nahrungsergänzungspräparate, vor allem Vitamin B12, Eisen, Vitamin D und Magnesium.

Den meisten fällt es leicht

Grundsätzlich scheinen die Befragten allerdings keine allzu großen Opfer zu bringen: 92 Prozent sagen, ihnen falle die gewählte Ernährungsform leicht. 46 Prozent geben an, sie verspürten nie ein Verlangen nach Fleisch beziehungsweise tierischen Lebensmitteln. Nur 2,3 Prozent sehnen sich täglich danach. Auf manches lässt sich dann aber doch nicht so leicht verzichten: Am meisten sehnt man sich nach Käse. Und nach Speck.

Der Großteil bleibt trotzdem konsequent: Sechs von zehn halten sich nach eigenen Angaben streng an die Kriterien ihres Speiseplans. 20 Prozent machen zu hohen Anlässen schon einmal eine Ausnahme. Dennoch: 90 Prozent können sich nicht vorstellen, wieder auf Mischkost umzusteigen. Dabei helfen auch fleischlose Ersatzprodukte wie vegane Würstel oder Schnitzel, 39 Prozent halten sie für eine Bereicherung ihres Menüs, vor allem Männer und Veganer. 14 Prozent essen solche Produkte indes nie. Eingekauft wird übrigens nicht nur auf dem Markt und im Bioladen: 87 Prozent gehen in den Supermarkt.

In vielen Fällen geht mit dem Verzicht auf tierische Lebensmittel auch der Verzicht auf anderes einher, etwa Kosmetik, die in Tierversuchen getestet wurde, aber auch auf Zirkus- und Zoobesuche, Daunen, Leder oder bestimmte Medikamente. All das nehmen Veganer deutlich ernster: Es handle sich, so Marketagent-Chef Thomas Schwabl, dabei „weniger um eine Ernährungsweise als um einen Lebensstil“. Als Missionare sehen sich die meisten nicht: Nur jeder fünfte würde gern auch andere von seiner Ernährung überzeugen.

Präsentiert wurde die Studie übrigens im Tian, Österreichs einzigem vegetarischen Restaurant mit Michelin-Stern und drei Hauben – das Lokal war voll mit (jungen) Frauen. (tes)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2017)

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