Wien: Eine Volksabstimmung für die Mobilisierung

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Die SPÖ zieht die Wiener Volksbefragung allein durch und schießt damit die Themen der Opposition ab. Obwohl die Abstimmung rechtlich nicht bindend ist stellte Häupl klar: Das Votum ist für die SPÖ bindend.

Es war ein bemerkenswerter Schachzug von Michael Häupl. ÖVP, FPÖ und Grüne durften sich auf Einladung des Wiener Bürgermeisters wochenlang den Kopf zerbrechen, welche Themen den Wienern bei der ersten Volksbefragung seit 1991 im Wahljahr 2010 vorgelegt werden. Die Opposition war beschäftigt, Häupl konnte die vorweihnachtliche Ruhe genießen, und am Freitag wurden im Gemeinderat sowieso nur jene fünf Fragen auf den Stimmzettel genommen, die die SPÖ bereits im Vorfeld der Volksbefragung bestimmt hatte.

Nicht einmal eine kolportierte sechste Frage, die alle drei Oppositionsparteien gemeinsam hätten bestimmen dürfen, fiel für ÖVP, FPÖ und Grüne ab; obwohl es Häupl sicherlich gefallen hätte, der Opposition zuzusehen, wie sie sich wegen einer einzigen Frage auf dem Stimmzettel selbst zerfleischt.

Der SPÖ-Alleingang, über den die „Presse“ bereits in einem Großteil der Freitag-Ausgabe berichtet hatte (während manche Oppositionspolitiker noch über Themen für die Volksabstimmung gebrütet hatten), enthält neben den Fragen auf dem Stimmzettel auch hilfreiche Erklärungen, damit sich die Wiener bei der Abstimmung nicht verwählen (siehe unten). Wobei die Abstimmung für die Stadtregierung rechtlich nicht bindend ist; Häupl stellte am Freitag aber klar: Das Votum der Wiener ist für die SPÖ bindend.

Neben der Demütigung der Opposition erfüllen die fünf definierten Fragen einen (für die SPÖ) wichtigen Zweck: eine Mobilisierung im Wahlkampfjahr 2010; gleichzeitig werden der Opposition Wahlkampfthemen abgeschossen.

Die City-Maut wird, so wie die Frage formuliert ist, abgelehnt werden. Die Grünen können sich damit von einem (für sie) wichtigen Wahlkampfthema verabschieden, mit dem die Ökopartei ihre derzeit schwammige Positionierung zumindest etwas schärfen hätte können – weil die SPÖ bei dem City-Maut-Thema elegant auf den Volksentscheid verweisen kann. Ein breites Votum für die Wiedereinführung der Hausbesorger, ein zentrales Anliegen der SPÖ, soll Rückenwind für Häupls Wahlkampf bringen und gleichzeitig Druck auf die Bundes-VP ausüben (damit diese bei dem Hausbesorgergesetz, einem Bundesgesetz, mitzieht). Dort, in der Bundes-VP, sitzt Wiens Neo-VP-Chefin Christine Marek. Die darf dann im Wahlkampf erklären, warum sich die Bundes-VP bei der Wiedereinführung der Hausmeister querstellt, obwohl das eine Mehrheit bei der Volksbefragung fordert. Würden nicht diese Motive dahinter stehen, könnte sich die SP die Hausmeister-Frage sparen – dank zahlreicher Umfragen, die belegen, dass die Gemeindebaubewohner ihre Hausmeister zurückwollen. Der verpflichtende Führschein für Kampfhunde dagegen stärkt den „Law & Order light“-Kurs der SP (z.B. Waste Watcher, Gemeindebau-Patrouillen etc.), um den rechten Rand gegen die FP abzudichten und gleichzeitig das leidige Hundethema zu entsorgen, das politisch kaum zu gewinnen ist und immer wieder aufflammt.

Die 24-Stunden-U-Bahn,ursprünglich Thema einer VP-Kampagne, dürfte der SPÖ nicht besonders viel Freude machen – nachdem in der „Erklärung“ die Kosten in der Höhe von fünf Millionen Euro betont wurden. Stimmen die Wiener trotzdem dafür, wird es als SP-Wahlkampfzuckerl verkauft. Bleibt noch die Ganztagsschule, bei der die Bundes-VP bremst. Gibt es eine deutliche Zustimmung (was die „Erklärung“ garantieren soll), darf VP-Chefin Marek im Wahlkampf den Wienern erklären, warum die VP hier bremst.

Die Fragen der Volksabstimmung im Wortlaut:

1. Im Jahr 2000 wurde durch den Bundesgesetzgeber die Möglichkeit abgeschafft, Hausbesorger anzustellen. Eine bundesgesetzliche Neuregelung ist seither nicht zustande gekommen. Sind Sie dafür, dass in Wien die Möglichkeit geschaffen wird, neue HausbesorgerInnen (mit modernem Berufsbild) einzustellen?

2. Internationale Studien zeigen, dass die Ganztagsschule der entscheidende Erfolgsfaktor für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie darstellt sowie das Bildungsniveau der Bevölkerung deutlich hebt. Sind Sie für ein flächendeckendes Angebot an Ganztagsschulen in Wien?

3. Einige Großstädte (z.B. London, Stockholm) haben zur Bewältigung des innerstädtischen Verkehrs eine Einfahrtsgebühr für das Stadtzentrum eingeführt (City-Maut). In Wien konnte durch die Verkehrspolitik (Ausbau öffentlicher Verkehr, Parkraumbewirtschaftung, Wohnsammelgaragen, Ausbau Radwegenetz) in den letzten Jahren der Autoverkehr in der Stadt deutlich reduziert werden. Soll in Wien eine City-Maut eingeführt werden?

4. In Wien fahren täglich Nachtbusse von 0.30 Uhr bis 5Uhr. Ein 24-Stunden-U-Bahn-Betrieb am Wochenende (Freitag und Samstag) kostet pro Jahr fünf Millionen Euro und bewirkt veränderte Fahrtrouten der Nachtbusse an Wochenenden. Sind Sie dafür, dass die U-Bahn am Wochenende auch in der Nacht fährt?

5. Seit 2006 wird in Wien ein freiwilliger Hundeführschein angeboten. Der Hundeführschein ist eine fundierte Ausbildung für HundehalterInnen, bei welcher der richtige Umgang mit Hunden erlernt wird. Bei der Prüfung müssen die HundehalterInnen zeigen, dass sie den Hund auch in schwierigen Situationen im Griff haben. Sind Sie dafür, dass es in Wien für sogenannte Kampfhunde einen verpflichtenden Hundeführschein geben soll?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2009)

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