Caritas und Stadt Wien eröffnen provisorische Notschlafstelle für wohnungslose EU-Bürger.
WIEN (APA/tes). Bisher musste ein Hörsaal als Schlafsaal herhalten, jetzt ist es eben ein Speisesaal. Nach der Räumung des Audimax, in dem zuletzt auch bis zu 80 Obdachlose genächtigt hatten, hat gestern die Wiener Caritas eine – provisorische – „zweite Gruft“ präsentiert, eine niederschwellige Übernachtungsmöglichkeit nach dem Vorbild der bekannten Notschlafstelle.
In Zusammenarbeit mit dem Fonds Soziales Wien (FSW) wurde in der Caritas-Obdachloseneinrichtung Haus St. Josef die Tagesstätte kurzerhand auf 24-Stunden-Betrieb umgestellt, der Speisesaal in der Nacht zur Schlafstätte für 40 obdachlose Männer umfunktioniert. Man reagiere damit auf die Räumung des Audimax und die eiskalten Temperaturen, so der Wiener Caritas-Generalsekretär Alexander Bodmann. In der ersten Nacht hätten 15 Menschen hier geschlafen.
Die neue Unterkunft in Wien-Währing ist als Provisorium bis März geplant und soll nicht nur Menschen aus anderen EU-Ländern offenstehen – aber eben auch: Dass gerade hier besonderer Bedarf besteht, das hatte nicht zuletzt die Audimax-Besetzung ans Licht gebracht. Viele der Männer, die dort genächtigt haben, stammen aus den neuen EU-Ländern und haben nach dem Wiener Sozialhilfegesetz keinen Anspruch auf eines der rund 600 Notschlafbetten, die der FSW fördert – und von denen derzeit laut FSW etwa 100 frei sind.
Im konkreten Fall der „zweiten Gruft“ für EU-Ausländer verweist FSW-Geschäftsführer Peter Hacker nun auf Ausnahmebestimmungen im Gesetz, die „großzügig ausgelegt“ würden. „Bei den herrschenden Temperaturen muss niemand die Nacht im Freien verbringen.“
Abgesehen von dieser Sofortmaßnahme arbeiteten Caritas und Stadt jedoch an einem Gesamtpaket, betont Caritas-Generalsekretär Bodmann. Neben Unterkünften müsse das Paket auch verpflichtende Beratungsangebote und Rückkehrmöglichkeiten in Kooperation mit dem europäischen Caritas-Netzwerk beinhalten. „Obdachlosigkeit und Armut“, so Bodmann, „sind europäische Phänomene, die strukturelle europäische Lösungen brauchen“.
Erfolg bei der Suche nach Räumlichkeiten für obdachlose EU-Bürger vermeldet auch die Vinzenzgemeinschaft des Grazer Pfarrers Wolfgang Pucher. Es sei gelungen, in Wien ein Objekt für 54 Menschen zu finden, das nun zum „VinziPort“ umgebaut werde.
Psychische Belastung
In der „echten“ Gruft unter der Mariahilfer Kirche werden für den morgigen Heiligen Abend indes mehr als 200 Leute erwartet – doppelt so viele wie dort sonst nächtigen. Gerade für wohnungslose Menschen stelle Weihnachten oft eine zusätzliche Belastung dar, sagt Gruft-Leiterin Martina Pint.
„Viele denken daran, wie es früher war, als sie noch ein Zuhause, eine Familie hatten.“ An diesem Tag versuche das Team der Gruft, gemeinsam mit zahlreichen Freiwilligen die Familie zu ersetzen. Erstmals stehen heuer zudem nicht ein, sondern zwei freiwillige Psychologen vor Ort zur Verfügung.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2009)