Fall Kampusch: 10.000 Euro Strafe für Adamovich

Ludwig Adamovich
Ludwig Adamovich(c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
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Der Leiter der Evaluierungs-Kommission im Fall Kampusch ist in Wien wegen übler Nachrede verurteilt worden. Kampuschs Mutter hatte geklagt, weil Adamovich sie in Interviews indirekt beschuldigte.

WIEN. Keine Spur von Weihnachtsfrieden im Prozess, den die Mutter von Natascha Kampusch, Brigitte Sirny, gegen den Leiter der Kampusch-Evaluierungskommission, Ludwig Adamovich, angestrengt hatte: Am 24. Dezember (der ungewöhnliche Termin wurde durch Überlastung des Gerichts erklärt) musste der frühere Präsident des Verfassungsgerichtshofes eine Verurteilung hinnehmen.

Der 77-jährige Spitzenjurist erhielt wegen übler Nachrede 10.000 Euro Geldstrafe. Die Hälfte der Strafe wurde bedingt nachgesehen. Sollte die Geldstrafe nicht beglichen werden, drohen 50 Tage Ersatzfreiheitsstrafe. Rechtskräftig ist dieses Urteil nicht. Adamovich hat sofort volle Berufung angemeldet. Die Gegenseite hat bezüglich etwaiger Rechtsmittel vorerst „keine Erklärung" abgegeben.

Adamovich hatte Anfang August dieses Jahres in einem Interview mit der „Kronen Zeitung" über die achteinhalb Jahre andauernde Entführung von Natascha Kampusch gesprochen und dabei auch auf die Rolle der Mutter des Opfers hingewiesen. Es sei denkbar, so Adamovich zum Schicksal von Natascha Kampusch, „dass diese Gefangenschaft allemal besser war, als das, was sie davor erlebt hat." Mit ähnlichen Äußerungen wurde der ehemalige Höchstrichter, der als Leiter der Kampusch-Kommission diverse Akten zu dem Fall kennt, auch in zwei anderen Medien zitiert. Die Mutter des Opfers hatte daraufhin durch ihren Anwalt Wolfgang Miller eine Privatanklage wegen übler Nachrede einbringen lassen.

Zur Verurteilung kam es nun, nachdem am Donnerstag, gleich zu Beginn der Verhandlung, ein möglicher Vergleich gescheitert war. Brigitte Sirny - sie war selber nicht zum Prozess ins Straflandesgericht Wien gekommen - hätte sich eine deutliche Entschuldigung erwartet. Adamovich wäre zu gewissen Zugeständnissen bereit gewesen („Ich wollte eine vernünftige Formel"), der Forderung der Privatanklägerin nachzukommen, erachtete er aber als „totale Kapitulation" - daher sei er anfänglich darauf nicht eingegangen, wie er der „Presse" nach der Verhandlung erläuterte.

Versuch, Strafe zu vermeiden

Gegen Ende der Verhandlung, nachdem Richterin Birgit Schneider alle Beweisanträge abgewiesen hatte - darunter auch die Anträge auf Ladung von Brigitte Sirny und Natascha Kampusch - wollte Adamovich einer sich abzeichnenden Verurteilung entgehen. Und erklärte sich bereit, der Forderung von Anwalt Miller doch nachzukommen. Dieser meinte aber lapidar: „Zu spät." Damit war eine Verurteilung unausweichlich. Obgleich Adamovich noch zu bedenken gab, dass es ihm mit seinen Äußerungen nicht darum gegangen sei, die alleinige Schuld auf die Mutter von Natascha Kampusch abzuladen. Sondern: „Ich wollte aufrütteln, weil die ganze Geschichte (die anfänglichen Ermittlungen, Anm.) dahingeplätschert ist."

Urteilsbegründung laut Richterin Schneider: Die von Adamovich angebotenen Beweisthemen hätten keine Relevanz zu dem von ihm erhobenen Vorwurf gehabt. Frau Sirny sei in der Öffentlichkeit eines gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens bezichtigt worden. Dies sei „geeignet gewesen, die Frau verächtlich zu machen." Als Milderungsgrund führte die Prozessleiterin den „bisherigen ordentlichen Lebenswandel" an. Erschwerend wertete sie das Zusammentreffen von „drei Fakten" (gemeint: Adamovich hatte seine Äußerung in drei Medien getätigt).

Er überlege nun, den Vorsitz als Leiter der Evaluierungskommissiion zurückzulegen, meinte Adamovich. Auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig sei, könne dies in den nächsten Tagen erfolgen. Möglicherweise werde er auch bei der nächsten Sitzung der Kommission (11. Jänner) seinen Rücktritt bekannt geben.

Indizien gegen die Mutter?

Noch vor der Verurteilung hatte Adamovich allerdings auf diverse Indizien hingewiesen, die seine Position abstützen sollten. An die Adresse der Privatanklägerin meinte er in öffentlicher Verhandlung: „Es gibt ein Verhalten von Frau Sirny, von dem man mit gutem Grund davon ausgehen kann, dass es sich um ein Offizialdelikt handelt - zwar um ein verjährtes, aber um ein Offizialdelikt." Präzise Angaben blieb der Angeklagte aber schuldig.

Er bleibe aber dabei: Schon vor der Entführung habe sich „Frau Kampusch in einer misslichen Situation befunden". Weiter: „Es gab Symptome, die auf sehr starke psychische Belastung schließen lassen." Unter anderem: „Es gab eigenartige Szenen, als Frau Kampusch mit ihrem Vater von einem Besuch aus Ungarn zurückkam." Konkreter wurde Adamovich auch hier nicht, allerdings wurden auch diesbezügliche Protokolle nicht als Beweismittel zugelassen.

Auch habe die Mutter seinerzeit einen Fitnessklub aufgesucht, Natascha Kampusch, damals ein kleines Mädchen, habe sie mitgenommen. Es könne in dem Klub zu einem „Kontakt mit dubiosen Personen gekommen sein", erklärte Adamovich unter Verweis auf ein 1998, nach der Entführung, erstelltes Gutachten von Kinderpsychiater Max Friedrich.

„Auch Vater spielte Rolle"

Adamovich: „Ich bin absolut davon überzeugt, dass es Frau Kampusch schlecht gegangen ist. Ich habe nicht gesagt, dass nur die Mutter schuld ist. Auch der Vater hat eine gewisse Rolle gespielt."

Natascha Kampusch sei es im Zuge der Entführung offenbar möglich gewesen, das Verlies zu verlassen. Als er, Adamovich, vorigen August im Ötschergebiet auf Urlaub gewesen sei, habe ihn eine Wirtin erkannt und ihm erklärt: „Da, wo Sie jetzt sitzen, ist sie (Kampusch, Anm.) gesessen, mit dem Priklopil (gemeint: der später durch Selbstmord aus dem Leben geschiedene Entführer Wolfgang Priklopil, Anm.)."

Adamovich: „Es gibt eine ganze Liste von Aufenthalten außerhalb des Verlieses. Es wurde auch das nachbarliche Schwimmbad benützt." Adamovich eindringlich zur Richterin: „Es wird nicht bedacht, wie weit Frau Kampusch die Möglichkeit hatte, sich selbst zu befreien." Es gebe Hinweise darauf, dass sich „eine liebevolle Beziehung zu ihrem Entführer entwickelt hat".

Priklopil - „ein Auftragstäter"?

Über den Entführer meinte der Angeklagte: „Es spricht sehr vieles dafür, dass andere im Hintergrund gestanden sind und dass Priklopil ein Auftragstäter war." Ein ursprünglicher Plan könnte „gescheitert sein". So etwa sei das Verlies zum Zeitpunkt der Entführung gar nicht fertig gewesen. Dieses sei erst im Laufe der Zeit ausgebaut worden. Dies spreche dafür, „dass die Entführung nicht so abgelaufen ist, wie sie geplant war." Am Ende sei dann „Priklopil mit dem Mädchen dagestanden."

(Red.)

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