Marginalie: 35 Jahre später: Salzburg streitet um Abtreibung

Landeshauptfrau Burgstaller hat genau den Konflikt, den sie nicht mehr will.

Ist eine Abtreibungsambulanz eine herausragende frauenpolitische Errungenschaft? Darf eine derartige Einrichtung für einen Frauenpreis nominiert werden? Selbstverständlich, sind Dagmar Stranzinger und Romana Rotschopf, die Frauenbeauftragten von Stadt und Land Salzburg, überzeugt. Und haben die Gynmed Ambulanz für den von ihren Büros vergebenen Troll-Borostyani-Preis 2010 vorgeschlagen.

Ein Tabubruch, der Öl ins Feuer eines Dauerstreits gießt: Hier die (mehr oder weniger) kämpferischen Abtreibungsgegner, dort die Vertreterinnen der „Mein-Bauch-gehört-mir“-Fraktion. Dazwischen ist – auch 35 Jahre nach Einführung der Fristenlösung in Österreich – für sachliche Diskussionen kaum Platz. *

Die Nominierung der Abtreibungsambulanz als Kandidatin für einen Preis kocht nicht nur ein in Salzburg heikles Thema wieder hoch. „Zynismus in Reinkultur und ein völlig falsches Signal für moderne Frauenpolitik“, empört sich Familienlandesrätin Doraja Eberle (VP) über die Nominierung. VP-Klubchefin Gerlinde Rogatsch spricht von „Instinktlosigkeit“ bei der Kandidatenwahl. Neben Gynmed sind auch das Frauenhaus Salzburg, das Frauengesundheitszentrum ISIS, das Gewaltschutzzentrum, betrifft:frauen – Erwachsenenbildung für Frauen und das Lungauer Frauennetzwerk für den Troll-Borostyani-Preis vorgeschlagen. Gewählt wird per Fragebogen und Internetvoting von der Öffentlichkeit.

Landeshauptfrau Gabi Burgstaller hat 2005 per Weisung die Einrichtung der Abtreibungsambulanz in den Landeskliniken verfügt – und dabei den wohl einzigen nachhaltigen Streit ihrer bisherigen politischen Karriere durchgestanden. Dass sie damals so viel Kritik für ihr Vorgehen einstecken musste, sei der Grund, warum sie seither politischen Konflikten lieber aus dem Weg gehe, wird kolportiert. Die ÖVP, die Kirche und konservative Kreise liefen vor fünf Jahren Sturm gegen die Abtreibungsklinik. Erzbischof Alois Kothgasser, der damals vehement protestierte, trägt Burgstaller ihre Entscheidung noch heute nach.

Betroffene Frauen mussten bis 2005 in Privatpraxen oder in andere Bundesländer ausweichen. Auch wenn oberflächlich Ruhe herrscht, keine Demonstranten mehr vor den Landeskliniken aufmarschieren und sich Burgstaller nicht mehr ständig für ihre Entscheidung rechtfertigen muss: Die Aufregung um die Nominierung zeigt, dass das Thema längst noch nicht abgehakt ist. Nicht in Salzburg. Und auch nicht in Restösterreich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.