Aus für Geheimstudien an Patienten

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Pharmakonzerne bezahlen Ärzte für heimliche Medikamentenstudien an Patienten. Kritiker sprechen von Korruption und fragwürdigen Marketingtricks. Das Ministerium will Studien nun (teils) meldepflichtig machen.

Wien. Hat ein Patient ein Recht darauf zu erfahren, ob der Arzt, der ihm ein Medikament verschreibt, vom Hersteller dafür bezahlt wird, wenn er Buch darüber führt, wie der Patient die Arznei verträgt?

Kritiker meinen Ja und fordern nun in der Debatte um Korruption im Gesundheitswesen, dass die bisher unfreiwillige Teilnahme an derartigen Geheimstudien den Betroffenen künftig mitgeteilt wird. Das Gesundheitsministerium hingegen plant für sogenannte Anwendungsbeobachtungen (auch „nicht interventionelle Studien“ genannt) ein zentrales und verpflichtendes Melderegister bei der Arzneimittelbehörde des Bundes (Ages PharMed). Ein Recht auf Patientenaufklärung ist nicht vorgesehen. Die Interessenvertretung der Ärzte weist jeglichen Zusammenhang zwischen Verschreibepraxis und Studienhonoraren pauschal zurück, und die pharmazeutische Industrie vermutet hinter der Debatte um die bisher im Geheimen durchgeführten Studien gar eine gesteuerte Kampagne.

„Ich fürchte, es ist einigen Leuten ein Anliegen, wieder gegen die Pharmaindustrie zu reiten“, zitiert die Austria Presse Agentur Jan Oliver Huber, Generalsekretär des Verbandes der Pharmaindustrie (Pharmig). Dabei wurde die Debatte nicht von der stets ärzte- und pharmakritischen Antikorruptions-NGO Transparency International, sondern vom Gesundheitsminister selbst losgetreten. Alois Stöger (S) ließ in den vergangenen Wochen eine (noch nicht wirksame) Verordnung ausarbeiten, die die Konzerne dazu verpflichtet, zumindest den Behörden mitzuteilen, welcher Arzt zu welchem Zweck mit welchem Unternehmen zusammenarbeitet.

Studien als „Marketinginstrument“?

Was Stöger öffentlich so deutlich nicht sagt, macht der Hauptverband der Sozialversicherungsträger, der seit Jahren unter den hohen Ausgaben für immer bessere und immer teurere Medikamente stöhnt. Der stellvertretende Generaldirektor, Christoph Klein, fürchtet, dass Ärzte, die an einer im Verborgenen betriebenen Medikamentenstudie teilnehmen, tendenziell eher ein Produkt verschreiben werden, an dem sie zusätzlich verdienen. So gesehen könnten derartige Studien sogar als „Marketinginstrument“ (Zitat Klein) der Pharmaindustrie verstanden werden.

Tatsächlich stellen Anwendungsbeobachtungen in manchen Fällen ein nicht unbeträchtliches Zusatzeinkommen für Ärzte dar. Selbst dann, wenn die österreichische Kammer tiefstapelt und von zehn bis maximal 50Euro Aufwandsentschädigung pro Patient spricht. Je nach Art des verwendeten Medikaments kann die Fallzahl pro Arzt, der seine Beobachtungen an den Patienten anonymisiert an den Medikamentenhersteller weitergibt, sehr hoch sein. Zudem liegt das tatsächliche „Kopfgeld“ pro Rezept wohl höher, als die Kammer zugibt. Anders als in Österreich ging die Vereinigung der Kassenärzte in Deutschland im Vorjahr von sich aus gegen die geheime und von Pharmafirmen bezahlte Dokumentation vor. Unter anderem deshalb, weil bei entsprechend teuren Medikamenten fürstliche Honorare von bis zu 1000 Euro pro Patient bezahlt worden seien.

Patienten tappen im Dunkeln

Pharmaindustrie und Ärzte argumentieren, dass derartige Studien dazu nötig wären, um Medikamente auch in der Massenanwendung zu beobachten. Nebenwirkungen, die extrem selten auftreten und wegen der geringen Fallzahlen im Zulassungsverfahren keine Rolle spielten, könnten so doch noch entdeckt werden. Wie bei der Schlankheitspille Reductil. Erst nach langwierigen Tests nach der Zulassung wurde der europäischen Arzneimittelbehörde klar, dass das Medikament ausgerechnet in der Zielgruppe der Fettsüchtigen zu einem hohen Herz-Kreislauf-Risiko führt.

Wie viele geheime Studien in Österreich derzeit laufen oder schon durchgeführt wurden, weiß niemand. „Bisher musste so etwas nicht angezeigt werden“, sagt Reinhard Krepler, Direktor des größten Spitals im Land, dem Wiener AKH. Er schließt deshalb nicht aus, dass auch an seiner Klinik entsprechende Studien laufen. „Beim gegenwärtigen Prozedere sehe ich keine Gefahren für die Patienten.“

Wirklich ernst genommen werden diese aber auch nicht. So will das Ministerium derartige Studien zwar behördlich registrieren, eine gesetzliche Verpflichtung für die Ärzte, ihre Patienten darüber zu informieren, ist jedoch nicht vorgesehen. Warum? „Weil das unserer Rechtsauffassung nach auf Basis der ärztlichen Auskunftspflicht schon bisher hätte geschehen müssen“, heißt es im Kabinett von Alois Stöger. Eine Auffassung, die die Ärzteschaft auf Kosten der Patienten seit Jahren nicht teilt.

Wie „Die Presse“ erfuhr, hat die nun angestoßene Debatte über mehr Transparenz für Patienten jedoch dazu geführt, dass im Hintergrund erste Gespräche über eine gesetzlich verankerte Informationspflicht im Gange sind. Meinung Seite 27

AUF EINEN BLICK

Studien über Nebenwirkungen bereits zugelassener Medikamente liefen bisher im Geheimen. Weder die Patienten noch das Ministerium erfuhr davon. Kritiker bezeichnen das System als korrupt. Ärzte, die von Konzernen Honorare für die Dokumentation von Nebenwirkungen bekommen, würden bevorzugt zu Arzneien jenes Herstellers greifen, der ihnen entsprechende „Aufwandsentschädigungen“ zahle. Das Ministerium will solche Studien nun (teilweise) meldepflichtig machen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2010)

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