Kampf gegen Kampfhunde oder Hunderassismus?

Pitbull
Pitbull(c) AP (JOERG SARBACH)
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Eine Liste "gefährlicher Rassen" sorgt für heftige Proteste. Hundeexperten meinen, dass man Gefährlichkeit ohnehin nicht an einer Rasse festmachen könne.

Ein junger Pitbullterrier mit treuherzigem Blick – markiert mit einem sechszackigen gelben Stern, auf dem das Wort „böse“ prangt. Dieser Flyer sorgt bei der Israelitischen Kultusgemeinde für Aufregung. Eine „Geschmacklosigkeit“ sei es, die Prüfung bestimmter Hunderassen mit der NS-Judenverfolgung zu vergleichen.

Mit dem Sujet will das Hundemagazin „Wuff“ aufzeigen, dass die Klassifizierung einzelner Hunde als „Kampfhunde“ eine Form von Rassismus sei. Nur ein Beispiel von vielen, das eines zeigt: von allen fünf Themen, über die bei der Wiener Volksbefragung von 11. bis 13.Februar abgestimmt wird, ist der Führerschein für Kampfhundebesitzer das emotionalste.

Tatsächlich spießt es sich schon an der Definition, was ein Kampfhund überhaupt ist. Die Stadt Wien hat dazu eine Liste von Rassen erstellt (s.Kasten), die als besonders aggressiv oder gefährlich gelten. Eine Auswahl, die Hundeexperten als unwissenschaftlich bezeichnen: „Es ist keine Systematik dahinter“, klagt Katja Wolf vom Kynologenverband. Abgesehen davon seien gerade einmal 15Prozent der Hunde in Österreich Rassehunde – Mischlinge werden davon nicht erfasst.

Hundeexperten meinen zudem, dass man Gefährlichkeit ohnehin nicht an einer Rasse festmachen könne. Ein Umstand, auf den auch bereits die Bundesregierung explizit aufmerksam gemacht hat – in einer Stellungnahme zur Novelle des niederösterreichischen Hundehaltegesetzes. Dort wurde vergangenen Herbst, nachdem ein Rottweiler ein Mädchen totgebissen hatte, eine ähnliche Liste wie in Wien erstellt – mit sieben Rassen, für deren Halter nun ein Hundeführschein vorgeschrieben wird. Und auch international gibt es unterschiedlichste Listen (s.unten), die sich nur zum Teil decken.

Das eigentlich Problem sehen viele Tierexperten auf der anderen Seite der Leine – erst durch schlechte Erziehung oder gezieltes Scharfmachen würden Hunde aggressiv und auffällig.

In Oberösterreich müssen Hundehalter unabhängig von der Hunderasse schon seit 2003 einen Sachkundenachweis erbringen. In Wien steht ein derartiger genereller Hundeführschein nicht zur Diskussion. „Eine Verpflichtung“, so Umweltstadträtin Ulli Sima, „kann ich nur für Kampfhunde argumentieren.“ Offensichtlich zählen weniger wissenschaftliche Kriterien als das subjektive Angstempfinden in der Bevölkerung.

Freiwillige Prüfung

Der Hundeführschein, den alle Wiener Hundebesitzer auch jetzt schon erwerben können, ist freiwillig. Seit seiner Einführung im Jahr 2006 haben schon rund 3000 Hundehalter in Wien die dazugehörige Prüfung absolviert – und sich im folgenden Jahr 43,60Euro Hundeabgabe erspart.

„Ich halte den Schein grundsätzlich für vernünftig“, sagt Gudrun Braun. Eine Klassifizierung nach verschiedenen Rassen hält die Verhaltensbiologin, die auch als Prüferin für den Wiener Hundeführschein arbeitet, aber für wenig zielführend: „Wenn einige Rassen verboten werden, nehmen sich die Leute womöglich einfach die nächste.“ Einen Garantieschein, dass ein Hund nicht einmal aggressiv agiert, gebe es sowieso nicht. Bei keiner Rasse.

VOLKSBEFRAGUNG: THEMA KAMPFHUNDE

Die Wiener SPÖ stellt folgende Frage: Seit 2006 wird in Wien ein freiwilliger Hundeführschein angeboten. Der Hundeführschein ist eine fundierte Ausbildung für Hundehalter/innen, bei welcher der richtige Umgang mit Hunden gelehrt wird. Bei der Prüfung müssen Hundehalter/innen zeigen, dass sie den Hund auch in schwierigen Situationen im Griff haben.

Sind Sie dafür, dass es in Wien für sogenannte „Kampfhunde“ einen verpflichtenden Hundeführschein geben soll?

Die Liste: Rottweiler, Pitbullterrier, Bullterrier, Staffordshire Bullterrier, American Staffordshire Terrier, Mastino Napoletano, Mastin Espanol, Fila Brasileiro, Argentinischer Mastiff, Mastiff, Bullmastiff, Tosa Inu und Dogo Argentino.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2010)

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