Denkmalschutz: Boykott am Hallstätter See

OBERÖSTERREICH. Hallstatt im Widerstand: Im Streit um die Unterschutzstellung von 150 Häusern des Ortskerns verhärten sich die Fronten zusehends. Bürgerinitiativen und Straßenblockaden sind geplant.

LINZ. „Kennen Sie unsere Ausgrabung?“, fragt Friedrich Janu und geht voraus. Eine rohe Holztreppe führt in die schwach beleuchtete Gegenwelt zu seinem Sportgeschäft im Erdgeschoß. Oben bietet Janu Skistöcke, Wollsocken und Souvenirs aus dem Salzkammergut zum Verkauf an. Unten ragen Überreste früher Besiedlung aus dem Steinboden: Eine grobe Mauer blieb von einer römischen Therme, eine andere von einer alten Schmiede für Sudpfannen, die zur Salzgewinnung eingesetzt wurden. Hinter Glas überdauern die Reste einer 7000 Jahre alten Keramik nun hier die Zeiten. Eigentlich wollte Friedrich Janu Ende der 1980er-Jahre nur einen neun Quadratmeter großen Heizkeller bauen, heute breitet sich unter seinem Sportgeschäft ein 300 Quadratmeter großes Privatmuseum aus, selbst finanziert und wissenschaftlich durch die Universität Wien betreut.

Wie Janu lebt und arbeitet beinahe jeder Hallstätter im Zentrum mit historischer Substanz: Nicht immer sind es Ruinen längst vergangener Zivilisationen, manchmal ist es eine alte Tramdecke, ein anderes Mal ein Gewölbe aus dem 16. Jahrhundert. Die Hallstätter sind stolz auf ihr Erbe, trotzdem ist nun ein Streit um dessen Schutz ausgebrochen.

Denkmal, nein danke

„Denkmal, nein danke“: Auf Plakaten an Haustüren und Gartenzäunen findet man dieser Tage bereits die ersten Ankündigungen des zu erwartenden Widerstands. Geplant, so hört man, sind nicht nur die Gründung einer Bürgerinitiative, sondern auch Straßenblockaden und Demonstrationen rund um den Hallstätter See.

Denn als vergangene Woche durchsickerte, dass das Bundesdenkmalamt den gesamten Ortskern von Hallstatt unter Schutz stellen wird, habe das die 900-Seelen-Gemeinde im inneren Salzkammergut bis ins Mark getroffen, meint Bürgermeister Alexander Scheutz (SP). Dass die Unterschutzstellung eine logische Folge der 1997 erfolgten Ernennung zum Unesco Welterbe ist, will man hier nicht einfach hinnehmen: „Der Hallstätter sagt, dann sollen sie sich ihr Welterbe eben wieder mitnehmen.“ Man fühle sich durch die Entscheidung des Bundesdenkmalamts wie schon so oft in der Geschichte „bevormundet, enteignet, wie in ein Reservat gesperrt. Die Hallstätter werden sich das so sicher nicht gefallen lassen. Wir sitzen da in den Häusern mit den kleinen Fenstern, alle paar Stunden muss im Winter Holz nachgelegt werden, das nehmen wir ohnehin alles schon in Kauf. Und jetzt will auch noch der Denkmalschutz mitbestimmen, was wir in unseren Häusern machen“, sagt der Bürgermeister. Barbara Neubauer, die Präsidentin des Bundesdenkmalamts, ist überrascht vom ungewöhnlich rauen Gegenwind aus dem Salzkammergut: „Dass es so eine Aufregung gibt, noch dazu bevor überhaupt erste Schritte eingeleitet wurden, habe ich noch nicht erlebt. Wir sind doch nicht der Feind.“ Sie plant Informationstage und erklärt, man werde versuchen, den Menschen die Angst vor Bevormundung zu nehmen. Immerhin bringe die Unterschutzstellung auch finanzielle Vorteile, etwa bei der Finanzierung der Denkmalpflege, also Instandhaltung, für die Hausbesitzer mit sich. Dieser ungewöhnliche Widerstand im Salzkammergut, speziell in Hallstatt, hat jedenfalls Tradition: Schon 1392 haben die Salzarbeiter gegen die Ausbeutung durch die Obrigkeit rebelliert, 1600 formierte sich von Hallstatt aus der Aufstand der Protestanten im Salzkammergut. Diesmal geht es laut des Bürgermeisters ums „Persönlichkeitsrecht“, „denn die Unterschutzstellung des „Ensembles“, also des gesamten Ortskerns, betrifft nicht nur Fassaden, Balkone oder die Dachgestaltung, sondern auch das Hausinnere.

Denkmalschutz im Grundbuch

Der Denkmalschutz wird im Grundbuch festgehalten, den zuständigen Behördenvertretern muss per Gesetz Zutritt in die Häuser gewährt werden. Dieser Umstand hat bereits bei den ersten Gesprächen zwischen Denkmalschützern und Gemeindevertretern für großen Unmut auf beiden Seiten geführt: Vom „Verjagen mit dem nassen Fetzen“ war die Rede. Und auch vom Recht auf Zutritt, das man sich zur Not mit Polizeigewalt verschaffen werde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2010)

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