Kärnten: Neues Prestigeprojekt trotz Rekorddefizit

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Kaernten Neues Prestigeprojekt trotz(c) Raunig
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Das hoch verschuldete Bundesland leistet sich in Keutschach ein zehn Millionen Euro teures Prestigeprojekt. Der Pyramidenkogel wäre mit 83 Metern Höhe der höchste Holzturm Europas.

Dem Besucher bietet sich ein tristes Bild. Ein Betonturm, ein vom Winter mitgenommener Schotterweg, ein zerfallenes Restaurant, ein halbleerer Souvenirshop, ein Imbisscontainer. Saisonstart auf dem Pyramidenkogel, seit einigen Tagen dürfen Besucher auf den Turm. Bald wird alles anders sein und der Pyramidenkogel in neuem Glanz erstrahlen, sagt der Keutschacher Bürgermeister Gerhard Oleschko.

„Wir lassen uns nicht aufhalten, die Verträge sind unterzeichnet, wir werden dieses Projekt umsetzen“, so der FPK-Politiker mit leuchtenden Augen. Der neue Turm – er soll laut Architekten in der Landschaft „tanzen“ –, ein Projekt mit überdimensionalen, Kritiker sagen größenwahnsinnigen, Ausmaßen. 83 Meter hoch, mit Antennen sogar 100 Meter, fünf Aussichtsplattformen, Turmcafé in 73 Metern Höhe, vom höchsten Holzturm Europas ist die Rede.

Jüngst wurde im Kärntner Landtag einstimmig eine Projektprüfung durch den Landesrechnungshof beschlossen. Diese Gebarungsprüfung hat jedoch „keine aufschiebende Wirkung“, erläutert Heinrich Reithofer, Präsident des Landesrechnungshofes. Das Projekt wird hinsichtlich des finanziellen Engagements der Landesgesellschaften auf Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit überprüft. „Das betrifft die realistische Veranschlagung von Projektkosten und Folgekosten.“ Es müsse sichergestellt werden, dass sich das Projekt selbst finanziert, „damit zukünftig nicht weitere finanzielle Wünsche an die öffentliche Hand herangetragen werden“. Bürgermeister Oleschko sieht der Prüfung gelassen entgegen, da das Projekt „schon achtmal kreuz und quer geprüft wurde“.

130.000 Besucher jährlich?

Zehn Millionen Euro werden investiert, mehr als vier Millionen muss die etwa 2400 Einwohner zählende Gemeinde Keutschach tragen. Oleschko, er regiert seit den Gemeinderatswahlen 2009 mit absoluter Mehrheit, geht davon aus, dass „die Kredite in 15 Jahren abbezahlt“ sein werden. Kredite, die offiziell von der Errichtergesellschaft aufgenommen werden, an der die Gemeinde mit 49 Prozent und die Kärntner Tourismusholding mit 51 Prozent beteiligt sind. Kritiker sprechen deshalb davon, dass die Gemeinde zahlt, die Entscheidungskompetenz aber bei der Tourismusholding liegt.

Die Opposition, die vor zwei Jahren noch den Neubau im Gemeinderat unterstützt hat, mittlerweile aber geschlossen gegen das Projekt ist, befürchtet eine versteckte Privatisierung von Gemeindevermögen. „Das Projekt wird bewusst an die Wand gefahren, um dann die Filetstücke der Gemeinde, wie die Seegrundstücke, zu verkaufen“, sagt Gemeinderat Alexander Kurasch (Grüne Einheitsliste). Auch für seinen Kollegen Martin Kamnik (SP) ist der Turm an sich nicht das Problem, „die Infrastruktur auf dem Pyramidenkogel funktioniert seit zehn Jahren nicht mehr“ und es seien „nie ernsthaft um bis zu zwei Drittel günstigere Alternativen geprüft worden“. Der Betrieb wäre trotz Sanierung „nur noch für 15 Jahre gewährleistet“, entgegnet Oleschko, deshalb der Neubau. „Noch sind wir erfolgreich, aber mit der Investition ohnehin schon fast zu spät dran.“ Knapp 100.000 Besucher werden pro Jahr begrüßt, mit dem neuen Turm sollen es über 130.000 werden. Zahlen, die von Projektgegnern und sogar dem Personal vor Ort in Zweifel gezogen werden. Die Prüfung durch den Landesrechnungshof sollte in drei bis vier Monaten abgeschlossen sein. Selbst wenn sich herausstellt, dass das Projekt nicht wirtschaftlich und zweckgemäß ist, könnte der Turm gebaut werden. „Der Rechnungshof hat keine Exekutionsmöglichkeit“, so Präsident Reithofer.

„Grenzdebil“

Für den Bürgermeister wäre ein Baustopp „fahrlässig“ und „grenzdebil“. Die „politischen Verhinderer“ müssten dann „die finanziellen Konsequenzen“ tragen. Läuft alles nach Plan, wird der bestehende 54 Meter hohe Stahlbetonturm Ende des Jahres gesprengt und mit dem Neubau begonnen. Das sollen möglichst viele Menschen hautnah miterleben, meint Oleschko. „Vor einigen Wochen hatte ich ein internationales Fernsehteam zu Gast, das Interesse hat, eine Dokumentation über Sprengung und Neubau zu drehen.“ Die Filmrechte des Turmbaus zu Keutschach werden ausgeschrieben, Oleschko hofft auf „zusätzliches Geld“ und „internationalen Werbewert“. Gemeinderat Kamnik hätte schon einen adäquaten Titel für die Dokumentation parat: „Der Wahnsinn geht weiter.“

Das nächste Großprojekt in Kärnten – trotz Rekorddefizits und Kürzungen im Sozialbereich. Finanzlandesrat Harald Dobernig (FPK) will von einer schiefen Optik nichts wissen. „Die öffentliche Hand kann sich nicht überall zurückziehen, baureife und umsetzungsfähige Projekte werden deshalb realisiert.“ Außerdem sei die Finanzierung des Turms in den Budgets 2007 und 2008 inkludiert. „Am Pyramidenkogel wird das Landesbudget weder schrumpfen noch gesunden“, so Dobernig. Auf neu zu initiierende Großprojekte werde hingegen verzichtet.

Der für Tourismus und Gemeinden zuständige Landesrat Josef Martinz (VP) spricht gar von einem „Projekt der Sonderklasse“ und lässt die Gemeinde finanziell im Regen stehen. Das Land sucht den Weg aus der Schuldenfalle und wälzt die Kosten vermehrt auf die – zum Teil wohlhabenden – Kommunen ab. Für den grünen Gemeinderat Kurasch hat das Methode. „Sie wollen weiter ihre Prestigeprojekte haben.“ Was dem Land mit Stadion und Seebühne passiert sei, werde mit Keutschach passieren. Die Gemeinderäte Kamnik und Kurasch wissen, dass sie den Bau nicht verhindern werden können. Mit Unterschriftenaktionen und Alternativkonzepten soll aber nichts unversucht bleiben. „Und wir könnten uns auch immer noch an den Turm ketten.“

AUF EINEN BLICK

Pyramidenkogel neu:

Höhe: 83 Meter hoch – aus Holz und Stahl gebaut, mit Antenne 100 Meter hoch

■Planung: Klaura + Kladen Architekten

■Die Finanzierung im Detail:

1,5 Mio. Sonderbedarfszuweisungen (Land Kärnten)

1 Mio. Zukunftsfonds (Land Kärnten)

2,5 Mio. Kärntner Tourismusholding (Land bzw. Gemeinde)

1 Mio. Wörtherseegemeinden (davon 1/3 Gemeinde Keutschach)

4 Mio. Euro Gemeinde Keutschach (über Kredit finanziert)

■Ziel: 130.000 Besucher sollen pro Jahr den Turm am Wörther See besteigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2010)

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