Tod einer slowakischen Pflegerin: "Es war Mord"

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Der Tod einer jungen slowakischen Pflegerin bleibt ungeklärt. Die Selbstmordthese der Ermittler gerät ins Wanken - die in ihrem Heimatland durchgeführte Untersuchung des Leichnams ergab die ersten Hinweise auf Mord.

Linz. Am 19. Jänner 2008 starb die slowakische Pflegerin Denisa Šoltísová. Der Todeszeitpunkt musste geschätzt werden, nachdem ihre Leiche erst zehn Tage später am Ufer der Ager bei Vöcklabruck entdeckt wurde.

Die Behörden gingen von Selbstmord aus, eine Obduktion wurde gar nicht erst angeordnet. Bis ein Artikel der „Presse“ den Fall wieder ins Rollen brachte. Die in ihrem Heimatland durchgeführte Untersuchung des Leichnams der 29-Jährigen ergab die ersten Hinweise auf Mord: Es wurden Hämatome und Abwehrverletzungen festgestellt, ein dubioser Medikamentencocktail im Blut und im Nierengewebe gab Rätsel auf.

Dennoch dauerte allein die Übersetzung des Obduktionsberichts ins Deutsche 14 Monate. Ein österreichisches Gerichtsgutachten zweifelte die Erkenntnisse aus der Slowakei schließlich an. Es folgte ein toxikologisches Gutachten, in Auftrag gegeben von der ermittelnden Staatsanwaltschaft Wels, das seit Ende Juni, wie die „Oberösterreichischen Nachrichten“ berichteten, vorliegt.

Dieses Gutachten wirft nun ein vollkommen neues Licht auf den Fall: „Es war sehr wahrscheinlich Mord“, sagt Gutachter Michael Freissmuth, Vorstand am Institut für Pharmakologie an der Medizinischen Universität Wien, zur „Presse“. Die Substanzen, die im Körper der Toten gefunden wurden, seien zum Tatzeitpunkt weder in Österreich noch in der Slowakei zugelassen gewesen, waren auch davor nur auf ärztliches Rezept erhältlich und keinesfalls in Kombination zur Einnahme vorgesehen: „Sie müssen daher aus einem Altbestand stammen.“

Die Medikamente, ein blutzuckersenkendes Präparat mit dem Wirkstoff Glibornurid sowie ein sulfinpyrazonhaltiges Mittel gegen Gicht, seien vom „Typ Blauensteiner“: In Kombination verabreicht und in kleinen Mengen führen sie zu Desorientierung, motorischen Aussetzern und Bewusstseinstrübung, in höherer Dosis wirken sie tödlich.

Die Selbstmordannahme hält Freissmuth für unplausibel. Im Gutachten, das der „Presse“ vorliegt, heißt es: „Frau Šoltísová hätte nicht leicht an die Medikamente herankommen können. Wenn sie Suizid geplant hätte, wäre es plausibler, dass sie große Mengen geschluckt hätte.“ Es sei weiters nicht verständlich, warum sie das zweite Medikament eingenommen haben und wie sie Zugang dazu gehabt haben soll. Für die angenommene Absicht, sich im Fluss ertränken zu wollen, sei die durch die Tabletten herbeigeführte Unterzuckerung nur hinderlich gewesen: „Vorstellbar wäre ein Szenario, in dem Frau Šoltísová zunächst die Kombination von Glibornurid und Sulfinpyrazon verabreicht wurde, um sie durch die einsetzende Unterzuckerung so weit zu beeinflussen, dass sie relativ leicht in den Fluss gestoßen werden konnte.“ Kaffee sei ausreichend bitter um den Beigeschmack der Medikamente zu verbergen.

Wurde der Fall verschleppt?

Der Linzer Rechtsanwalt Helmut Leitner vertritt die Angehörigen Šoltísovás. Sie hätten von Beginn an die Selbstmordtheorie bezweifelt. Trotz der aktuellen Entwicklungen hält Leitner eine vollständige Klärung der Todesumstände für unwahrscheinlich: „Wenn es ein Verbrechen war, hat der Mörder zwei Jahre und acht Monate Vorsprung.“

Er macht die Ermittlungsbehörden für die Verschleppung des Falls verantwortlich: „Es ist von Anfang an in sehr dürftigem Ausmaß ermittelt worden, um die Bestätigung für die ersten Annahmen des Selbstmordes zu bekommen.“

Es sei zudem befremdlich, dass die zuständige Staatsanwaltschaft Wels bis dato das neue toxikologische Gutachten noch nicht bearbeitet hat und prinzipiell ein Fehler, bei Wasserleichen auf Verdacht von Suizid auszugehen: „Ein Staat muss sich in diesen Fällen eine Obduktion leisten.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2010)

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