Fälschte der Verfassungsschutz Beweise?

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Die Staatsanwaltschaft prüft die Manipulation einer belastenden Datei durch Beamte des Verfassungsschutzes. Opfer ist ein Soldat, der über Vorgänge bei Eurofighterbeschaffung gewusst haben könnte.

[Linz] Hat der österreichische Verfassungsschutz gezielt Beweismaterial gefälscht, um so einen Soldaten, der über Vorgänge in der Beschaffung der Draken-Nachfolger Bescheid wusste, zu diskreditieren? Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Eine Diskette, die als Beweismittel in der Affäre dienen sollte, ist manipuliert worden: Zu diesem Schluss kommt ein Gutachten, das der „Presse“ vorliegt. Die Manipulation soll zwischen 21. und 22. Juni 2007 stattgefunden haben. Zu diesem Zeitpunkt hatte laut Aktenlage nur das österreichische Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) Zugriff auf den Datenspeicher. Der beschuldigte Unteroffizier Harald S. saß damals ihn U-Haft. Ihm war Spionage vorgeworfen worden.

Digitale Spuren

Als Beweismittel diente eine Excel-Datei, in der sechs Positionen geändert worden sein sollen, die S. belasten. U. a. geht es um verdächtige Geldflüsse. Laut Gutachten weist der sogenannte Headerbereich der Datei Spuren eines „invasiven Eingriffs“ auf. Anstatt auf „sod“ (das sind die ersten drei Buchstaben von S.' Familiennamen) ist im Dateiheader das Kürzel „bvt“ zu finden. Neben dem Zeitpunkt des Eingriffs sei dies ein klarer Beweis für Manipulation, sagt der Datenforensiker und ehemalige Kripobeamte Uwe Sailer.

Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt in dem Fall seit Jänner dieses Jahres gegen BVT und Heeresabwehramt. Die Vorwürfe lauten im Wesentlichen auf Amtsmissbrauch und Unterdrückung von Beweismitteln. Die mutmaßliche Auswirkung: Behinderung der Justiz. Der in Hörsching stationierte Unteroffizier Harald S. wurde 2007 festgenommen, die U-Haft dauerte zwei Wochen, 2008 wurde das Verfahren in Österreich gegen ihn eingestellt. Nun kämpft er um berufliche und persönliche Rehabilitation.

Die mutmaßlich manipulierte Datei ist nicht die einzige Ungereimtheit in diesem Fall. Laut anonymer Informanten soll ein 3000 Seiten starker Akt mit der Aktenzahl 157/05 in zwölf Bänden über den so genannte Hörschinger Spionagefall existieren, der dem BVT und der Staatsanwaltschaft vorenthalten wurde.

Das Wissen des Unteroffiziers, so heißt es in der Anzeige, hätte „gefährlich sein“ können. S. soll über Beziehungen hochrangiger Militärs zu Lobbyisten in der Zeit der Beschaffung des Draken-Abfangjäger-Nachfolgegeräts Bescheid gewusst haben – unter anderem zu EADS-Lobbyist Erhard P. Steininger und zum Russen Vladimir V., der für die MIG 29 warb.

Der Fall könnte allerdings noch weitere Kreise ziehen. Denn die Diskette, auf der laut Gutachten Beweise „im Machtbereich des BVT“ manipuliert worden sein sollen, dient unter anderem auch als Grundlage einer Anklage vom Oberlandesgericht München gegen S. Hintergrund sind die Aussagen über Geldflüsse und Aufträge des wegen Spionage rechtskräftig zu elf Monaten bedingter Haft verurteilten Eurocopter-Ingenieurs Werner G., der geheime Konstruktionspläne an Vladimir V. weitergab. G. beschuldigt S., für ihn den Kontakt zum Russen hergestellt zu haben, der seinerseits wegen seiner diplomatischen Immunität straffrei aus der Affäre kam.

Gezielter Rufmord?

S., der Werner G. und Vladimir V. über seinen privat betrieben Flugzeugteile-Verkauf kannte, wirft den österreichischen Geheimdiensten vor, einen auf Spionage lautenden Haftbefehl gegen ihn vorsätzlich und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen erwirkt zu haben. Ziel sei es gewesen, ihn öffentlich zu diskreditieren. Die besagte Excel-Datei sei manipuliert worden, um die Aussagen von G. glaubwürdig und jene von S. als unglaubwürdig darzustellen.

Die ermittelnde Staatsanwaltschaft Wien und das für das BVT zuständige Innenministerium waren zu keiner Stellungnahme bereit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16. 10. 2010)

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