In gelöster Stimmung präsentierten Maria Vassilakou und Michael Häupl ihren gemeinsamen Koalitionspakt. Mühsame Details wurden ausgespart.
[Wien] Wie ist der Tonfall? Wer lächelt – wie viel und wann genau? Debüt-Pressekonferenzen von Koalitionspartnern sind ein beliebtes Feld für Beziehungsstudien. Und auch wenn Maria Vassilakou und Michael Häupl den Ehevergleich schon satt haben, hatte man Freitagmittag den Eindruck, dass hier zwei sitzen, die nicht nur sachpolitisch, sondern auch sonst miteinander können. Zumindest jetzt noch.
Wobei Vassilakou schüchtern startet. Jung wirkt die Grünen-Chefin neben dem Stadtchef. Und nervös. Während Häupl die Präsentation des Koalitionspakts eröffnet und im Routineton über Budgetzwänge referiert, blickt Vassilakou auf ihr Wasserglas, in die Luft, dann wieder in die überfüllte Runde. In den Steinsaal des Rathauses sind fast alle gekommen. Grüne Parteifreunde stehen hinten, vorne drängen sich Journalisten. Auch „Falter“-Chefredakteur Armin Thurnher ist da.
Sobald Vassilakou mit Reden dran ist, legt sich aber die Befangenheit der Vizebürgermeisterin in spe: „Wie es aussieht, hat Wien voraussichtlich eine rot-grüne Stadtregierung“, sagt sie, und der vorsichtigen Formulierung zum Trotz (die Landesversammlung muss erst zustimmen) ist der Stolz deutlich. Es sei „ein Ergebnis, das sich sehen lassen kann“, sagt Vassilakou und skizziert, immer besser gelaunt, ihre „Highlights“ – vor allem jene in ihrem eigenen, gewichtigen Ressort (Stadtplanung, Verkehr, Klimaschutz, Energie): Steigerung des Anteils des öffentlichen Verkehrs, weniger Individualverkehr. „Wien soll eine der führenden Klimametropolen werden.“ Dazu: weniger Kinderarmut, mehr Investitionen in die Schulen und dezidierte „Spielregeln“ für die Integration, eine Diktion, die man aus dem SPÖ-Wahlkampf kennt. Häupl streicht sich derweil den imaginären Bart. Wohlwollend.
Wobei die Harmonie auch daher rührt, dass mühsame Details die gute Laune nicht trüben. Gern wiederholt Häupl sein Bonmot: Er habe lieber „einen Partner, mit dem ich über die eine oder andere Straße streite“, als einen, „mit dem ich mich täglich über die Bildungspolitik streite“. Leicht gesagt, der Streit um den Verkehr dauert noch. Öffi-Tarifreform? Muss man erst ausarbeiten. Lobautunnel? Durch diesen Tunnel gehe man, wenn man da sei oder so. Und erst nach einer Volksbefragung: „Wenn der Vorschlag kommt, könnte ich mir vorstellen, dass wir zustimmen“, sagt Häupl.
Und dann ist sie weg
Dezent unangenehm wird es nur zwei Mal: Einmal bei der – für die Grünen peinlichen – Frage nach Alexander Van der Bellen. Die schnappt sich überraschend Häupl (wohl, weil es um sein Lieblingsthema Uni geht), Vassilakou muss sich fast hineinreklamieren. Und ein zweites Mal beim Bau am Augartenspitz. Wie erwartet, enttäuscht Vassilakou die Bürgerinitiativen: „Es wird nicht möglich sein, die Baugrube zuzuschütten.“ Ernstes Gesicht. Aber nur kurz. Die Frage, ob es jede Woche eine gemeinsame Pressekonferenz gebe, provoziert zweistimmiges Gelächter: Natürlich nicht. „Darauf lege ich keinen Wert“, sagt sie und ist nach dem Ende auch gleich weg, während Häupl jovial Interviews gibt. Was man punkto Beziehungsstudien aber jetzt wohl nicht überbewerten sollte. Oder doch?
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2010)