Straßenbahn statt 13A? Der San-Francisco-Plan

Strassenbahn statt SanFranciscoPlan
Strassenbahn statt SanFranciscoPlan(c) Michaela Bruckberger
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Geniestreich oder Schnapsidee? Nach dem Willen der Wiener Grünen soll die notorisch überfüllte Buslinie 13A durch eine Straßenbahn ersetzt werden. Der Plan wird nicht ganz so leicht durchzubringen sein.

Rund zwölf Millionen Fahrgäste pro Jahr brauchen ihn. Und mindestens ebenso viele hassen ihn – den 13A. Denn Wiens meistfrequentierte Buslinie, die den vierten mit dem achten Bezirk verbindet, ist alles andere als ein effizientes und komfortables Beförderungsmittel.

Dichtes Gedränge während der Stoßzeiten. Eltern, die ihre Kinder auf dem Arm tragen, weil sie wissen, dass sie mit einem Kinderwagen keine Chance mehr auf einen Einstieg haben. Und in der Folge entnervte Passagiere, die dank permanenter Tuchfühlung das Aggressionslevel merkbar heben. Dazu kommt die Topografie der Strecke mit engen Kurven und zahlreichen Steilstücken, die die stehenden Fahrgäste wie Flipperkugeln zwischen den Haltestangen hin und her werfen.

Letzter Punkt vor allem deswegen, weil die Busfahrer viel Zeit aufholen müssen, die sie durch die mühsamen Einstiegsdrängeleien verlieren – und durch schlecht geparkte Autos, die in den engen Gässchen des siebenten und achten Bezirks zum unüberwindbaren Hindernis für die Weiterfahrt werden können. Und die immer wieder dafür sorgen, dass plötzlich – nach langer Wartezeit – vier, fünf oder mehr Busgarnituren direkt hintereinander in eine der Stationen einfahren.

Kein Wunder also, dass der 13A den inoffiziellen Titel der meistgehassten Buslinie Wiens trägt – und die leidgeplagten Nutzer kaum eine Gelegenheit auslassen, ihre schlechten Erfahrungen zum Gesprächsthema zu machen. Ebenfalls kein Wunder ist, dass sich nun die Wiener Grünen verstärkt der leidgeplagten Nutzer annehmen wollen – schließlich führt der 13A quer durch grünes Kerngebiet.

Die Idee der Grünen, um die Studenten, Jungfamilien und neuen Bürgerlichen in den „Bobo“-Bezirken zufriedenzustellen: „Innerstädtisch sollen bei besonders überlasteten Buslinien Überlegungen für schienengebundene Verkehrsmittel in Abstimmung mit den Bezirken geprüft werden“, heißt das eher unverbindlich im rot-grünen Koalitionsübereinkommen. Der Klartext dahinter heißt nichts anderes, als dass der 13A verschwinden und durch eine Straßenbahnlinie ersetzt werden soll.

Eine moderne Straßenbahn fasst bis zu 207 Menschen, in den Bussen, die auf der 13A-Linie verkehren, sind es gerade einmal 67 Plätze. Eine Straßenbahn hat mehr Türen, was die Haltestellendauer verkürzen könnte. Und Schienen werden in der Regel nicht verparkt – Autofahrer haben einen gewissen Respekt vor dem Gleiskörper.

Gut und schön, doch wirkt es reichlich unrealistisch, dass sich eine Straßenbahn durch derart enge Gassen mit 90-Grad-Kurven wie in Neubau und der Josefstadt quält und dabei steile Anstiege bewältigt, die bei Fahrschulen als Übungsgelände fürs Bergaufanfahren genützt werden. Hier eine Straßenbahn? Wien auf den Spuren der Straßen von San Francisco?


Auf der Spur der Linie 13. Auf der anderen Seite: So unrealistisch ist die Idee auch wieder nicht – schließlich fuhr eine Straßenbahn früher genau hier. Von 1913 bis 1961 bediente die Linie 13 die 5,6 Kilometer lange Strecke zwischen Südbahnhof und Alserstraße. Und selbst die alten Garnituren bewältigten die Steigungen, wenn auch mit ein bisschen Bauchweh. Für die neuen ULF-Garnituren ist es technisch in jedem Fall machbar. Allerdings: Eine Straßenbahn braucht auch mehr Platz. Platz, den man vor allem den Autofahrern wegnehmen müsste. Eine Studie des Fahrgastbeirats der Wiener Linien aus dem Jahr 2008 geht von 275 Stellplätzen aus, die den Schienen weichen müssten.


Verlust von Parkplätzen. Das ist auch eines der Hauptargumente, die eine solche Linie unwahrscheinlich machen – so hat etwa die VP-Bezirksvorsteherin der Josefstadt schon im Wahlkampf von „Unsinnigkeiten“ gesprochen, denen man sicher nicht zustimmen würde. Und auch SP-Bezirkschefin Renate Kaufmann aus Mariahilf spricht sich für Verbesserungen beim 13A aus, kann sich eine Straßenbahn aber nicht vorstellen. Und neben der Stadt sind es die betroffenen Bezirke, die einer solchen Änderung des Linienkonzepts erst einmal zustimmen müssten. Wiens einziger grüner Bezirksvorsteher Thomas Blimlinger aus Neubau allein reicht jedenfalls nicht.

Bei den Wiener Linien will man weder für die eine noch für die andere Lösung eine Präferenz zeigen. „Wenn es heißt, dass in einem Bereich statt Bussen eine Straßenbahn fahren soll, wird das technisch irgendwie gehen“, sagt Sprecher Answer Lang. „Und wenn sich Bezirke und Stadtregierung einigen, setzen wir es um.“ Man müsse nur mitbedenken, welche Konsequenzen ein solcher Umbau hätte.

Laut der Fahrgastbeiratsstudie wären damit Kosten von 20 bis 30 Millionen Euro verbunden – die allerdings durch erhöhte Fahrgastzahlen bald wieder eingespielt werden sollten, so die Hoffnung der Studienautoren. Eine Argumentation, der die Rathaus-SPÖ aber bisher wenig abgewinnen konnte. So wurde im November 2008 ein Antrag der Grünen, der auf dieser Studie fußte, von Finanzstadträtin Renate Brauner abgeschmettert. Sie brachte die zusätzlichen Kosten ins Spiel, aber auch das Argument, dass Straßenbahnen längere Intervalle haben müssen, ebenfalls Lärm machen und im Fall einer Störung nicht flexibel umgeleitet werden können.


Kein leichtes Vorhaben. Die Grünen müssen sich also darauf gefasst machen, dass ihr Plan, aus der meistgehassten Buslinie der Stadt eine Straßenbahnlinie zu machen, nicht ganz so leicht durchzubringen sein wird. Selbst, wenn er schon im Koalitionsvertrag steht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2010)

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