Österreich droht ein Land ohne Landärzte zu werden

oesterreich droht Land ohne
oesterreich droht Land ohne(c) Www.BilderBox.com
  • Drucken

Die Österreichische Ärztekammer warnt vor einem "Landärzte-Sterben". Die Zahl der Bewerbungen um Landarztpraxen nimmt deutlich ab. Mediziner müssten mit Förderungen und weniger Bürokratie gelockt werden.

Wien. Österreich könnten bald in weiten Teilen des Landes die Landärzte ausgehen. Bewohner ganzer Landstriche müssten dann in Nachbarregionen fahren, wenn sie medizinisch versorgt werden wollen, in Notfällen könnte es eng werden: Das ist das Horrorszenario der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), die am Wochenende beim internationalen Symposium über „Ärztemigration“ in Wien auf das Problem aufmerksam gemacht hat. Nach einem ersten Einbruch der Ärztezahl in den Vorjahren würden heute zwar noch rund 2000 Landärzte auch in abgelegenen Gebieten Menschen betreuen, berichtete Otto Pjeta, ÖÄK-Referent für Landmedizin und Hausapotheken. In den nächsten Jahren würde aber rund ein Drittel dieser Ärzte in Pension gehen. Gleichzeitig nehme die Zahl der Bewerbungen um Landarztpraxen deutlich ab: Seit 2006 hätten sich bereits um 20 Prozent weniger Ärzte um den Job als Landarzt bemüht als davor.

„Work-Life-Balance stimmt nicht“

Der Beruf des Landarztes werde immer weniger attraktiv, warnte Ärztekammer-Präsident Walter Dorner im Gespräch mit der „Presse“: „Für viele Jungmediziner ist die Work-Life-Balance entscheidend, und als Landarzt ist man oft rund um die Uhr gefordert.“ In der Stadt könnten sich praktische Ärzte eher von anderen vertreten lassen oder sie könnten sich vernetzen. Darin sähe Dorner auch einen Ausweg für Landärzte: „Ihre Chance liegt darin, künftig besser über Gemeinde- und regionale Grenzen hinweg zusammenzuarbeiten.“ Jetzt wären viele Landärzte de facto „nonstop“ in Bereitschaft – und das schrecke ab.

Dazu kämen als große „Minuspunkte“ des Jobs der hohe bürokratische Aufwand – „es sind viel zu viele Formulare, nicht nur für praktische, sondern für alle Ärzte“ –, hohe Kosten für medizinische Geräte sowie die Angst vor Schadenersatzzahlungen, so Dorner.

Deutschland und andere Länder seien beim Entgegenkommen gegenüber Landärzten schon viel weiter: „Wie bei uns vor 40 Jahren“ würden vor allem deutsche Gemeinden Ärzte sogar mit einem Haus, mit finanziellen Förderungen oder Extrapersonal für die Verwaltung anlocken, sagte Dorner. Das bestätigten beim Symposium in Wien Vertreter Nordrhein-Westfalens oder Mecklenburg-Vorpommerns: Der Kampf um Landärzte werde immer härter, erklärten sie – und man sei auch sehr an österreichischen Medizinern interessiert.

Außer speziell an Landärzten fehle es überhaupt an praktischen Ärzten sowie an Fachärzten mehrerer Disziplinen; die Werbung um ausländische – auch österreichische – Kräfte bei Jobmessen und im Internet hat längst begonnen. Wie Österreich steht Deutschland demnächst eine große Pensionierungswelle unter Medizinern bevor.

Allein in Mecklenburg-Vorpommern waren es im Jahr 2000 noch 1229 praktische Ärzte, heuer sind es nur noch 1088. Die Zahl der Fachärzte ist von 1256 auf 1450 gesunken. Nordrhein-Westfalen (NRW), mit fast 18 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste deutsche Bundesland, wird Prognosen zufolge bis 2019 sogar 140.000 neue Ärzte in allen Fächern brauchen. Wie andere deutsche Länder leidet NRW unter einer starken Abwanderung von Medizinern ins Ausland.

Deutschland, England werben ab

Die Gefahr des Abwanderns bestehe auch für Österreich. Hunderte Jungmediziner hätten bereits das Weite gesucht, sagte Dorner: weil Länder wie Großbritannien Ärzten zum Beispiel Flüge, Unterkunft und Topgehälter zahlen, nur damit sie übers Wochenende in ihren Spitälern arbeiten. Wie viele Ärzte in den nächsten Jahren in Österreich fehlen werden, dazu liegen noch keine Prognosen vor. Mit dem Wissenschafts- und dem Gesundheitsministerium arbeitet die ÖÄK an einer Bedarfsstudie. Diese soll die Basis für politische Maßnahmen bilden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31. Jänner 2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

aerzte Kampf gegen bdquoMassenexportldquo
Gesundheit

Ärzte: Kampf gegen „Massenexport“

Ärztekammer will durch neue Initiativen Abwanderung nach Deutschland bremsen. Schon jetzt fehlen Psychiater, andere Fachärzte und vor allem auch Landärzte im Inland.
Innenpolitik

Die Spitalsreform kommt in die Gänge

Gesundheitspolitik. Weil die Spitalskosten ausufern, wird nun eine ständige Arbeitsgruppe eingerichtet. Für heuer sind außerdem drei Gesundheitskonferenzen geplant.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.