Oberösterreich: Widerstand gegen Spitalsreform

(c) Clemens Fabry
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Gesundschrumpfen führt zu Protesten gegen die Pläne von Landeshauptmann Josef Pühringer. 2010 lagen die Ausgaben für Spitäler bei 1,7 Milliarden, ohne Reform würden sie sich bis 2020 auf 2,7 Milliarden erhöhen.

Linz. Es war taktisches Kalkül, als im Juni 2009, wenige Monate vor den Landtagswahlen, die Zusage für drei neue Herzkatheteranlagen in Oberösterreich gemacht wurde. Seit Kurzem ist klar, dass diese Zusage – sie galt für Ried, Vöcklabruck und Steyr – nie eingelöst werden wird. Das ist nur zu verständlich: Mit den neuen Herzkathetern wäre Oberösterreich auf 7,1 Herzzentren pro einer Million Einwohner gekommen, der österreichische Schnitt liegt bei 4,5, der europaweite bei 2,6.

Oberösterreich liegt nicht nur bei der Ausstattung mit Großgeräten, der Bettendichte, sondern auch bei der Häufigkeit von stationären Aufnahmen im Spitzenfeld. 2010 lagen die Ausgaben für Spitäler bei 1,7 Milliarden Euro, ohne Reform würden sie sich bis 2020 auf 2,7 Milliarden erhöhen. Diese Steigerung soll nun durch die Sparmaßnahmen auf etwa 2,2 Milliarden Euro bis zum Jahr 2020 gedrosselt werden.

Die Rücknahme des Versprechens ist Teil der mit Spannung erwarteten „SpitalsreformII“, die Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) zur Chefsache erklärt, und die nach Wien und der Steiermark auch Oberösterreich umfangreiche Einschnitte verordnet. Konkret geht es um den Abbau von 740Betten und Einsparungen in Höhe von bis zu 362 Millionen Euro pro Jahr bis 2020. Dazu werden in Zweijahresschritten sieben Abteilungen geschlossen, 14 zusammengelegt und acht in Tageskliniken umgewandelt.

Innviertler Wutbürger

Starker Gegenwind war vorhersehbar: Innerhalb eines Tages setzten fast alle Häuser im Zentralraum Pressekonferenzen an. Während der Protest von den Trägern oder politischer Seite kam, startete im Innviertel der Unterstützungsverein „Freunde von St.Josef und Coronarangiographie Braunau-Simbach“ eine Unterschriftenaktion, und eine Facebook-Gruppe sammelte innerhalb kürzester Zeit 1500 Anhänger. Die Innviertler Wutbürger sind Symptom eines gesundheitspolitischen Sonderfalls: Die Region ist, was zum Beispiel Fachärzte betrifft, vergleichsweise schlecht versorgt und auf das stationäre Angebot angewiesen. Eine Kooperation des Krankenhauses Braunau mit dem im benachbarten Bayern gelegenen Krankenhaus Simbach wird durch die Reform infrage gestellt. Der Leistungszuschuss für österreichische Herz-Kreislauf-Patienten in Simbach wird gestrichen.

Gewinner ist die von der landeseigenen Gespag betriebene Landes-, Frauen- und Kinderklinik (LFKK), wo in Zukunft die Mutter- und Kindversorgung stärker als bisher gebündelt werden soll. Die Gynäkologieabteilung des städtischen AKHs, das direkt an die LFKK grenzt, soll abgebaut werden, und die Kinderurologie der Barmherzigen Schwestern an die LFKK übersiedeln. Das AKH verliert nicht nur die Gynäkologie, um die schon seit Jahren gekämpft wurde und die auch im Gegensatz zu den Ordenshäusern Schwangerschaftsabbrüche durchführt – auch die dermatologische Abteilung soll zu einer infektologischen, auf Aids spezialisierten Abteilung umstrukturiert werden.

Gröbere Einschnitte gibt es auch für das Klinikum Wels-Grieskirchen, dessen Herzchirurgie – aus Gründen der Abschaffung von Doppelgleisigkeiten – geschlossen wird. Es gibt auch im AKH eine herzchirurgische Abteilung.

Die zur Vinzenz Gruppe gehörenden Barmherzigen Schwestern in Linz und das benachbarte Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, die schon länger kooperieren, sollen nun auch ihre Neurologie- und Röntgenabteilungen zusammenlegen und ihre Coronarangiografieanlage aufgeben.

Strenge Geheimhaltung

Die Verhandlungen liefen unter strenger Geheimhaltung und waren von teils heftiger Kritik begleitet. Die Spitalsträger fühlten sich zu wenig eingebunden und befürchteten politisch motivierte Fehlplanungen: „Statt langfristig unrentable Häuser zu schließen, muss jetzt jedem etwas weggenommen werden, um den Schein zu wahren. Wer in der Vergangenheit Reformschritte gesetzt hat, wird für die Versäumnisse anderer bestraft“, sagt ein Vertreter der betroffenen Spitäler zur „Presse“. Anlass zur Verärgerung bot auch die Zusammensetzung der Arbeitsgruppe, die die eigentlichen Entscheidungen traf. Spitalsträger durften erst später zur Klausur stoßen.

Pühringer wird die Proteste aussitzen müssen, um die Reform auf Schiene zu bringen: „Wenn er in einem Punkt nachgibt, beginnt die ganze Front zu bröckeln“, sagt ein Kommissionsmitglied zur „Presse“.

Auf einen Blick

Spitalsreform in Oberösterreich. Bis zum Jahr 2020 sind der Abbau von 740Betten und Einsparungen in Höhe von bis zu 362 Millionen Euro pro Jahr geplant. Sieben Spitalsabteilungen sollen geschlossen, 14 zusammengelegt und acht in Tageskliniken umgewandelt werden. Dagegen regt sich nun heftiger Widerstand.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2011)

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