Twin City Liner: "Da steuert jetzt eine Frau"

(c) Michaela Bruckberger
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Allein unter Männern: Stefanie Oberlechner, die einzige Kapitänin bei der altehrwürdigen Donaudampfschifffahrtsgesellschaft, steuert seit Kurzem den Twin City Liner. Schaulustige kommen "Kapitänin schauen".

Gerade gestern war wieder eine Gruppe da“, erzählt Stefanie Oberlechner. Schaulustige, die vom Deck des Twin City Liners die steile Treppe hinauf zur Kommandobrücke gestiegen sind, weil sie gehört haben: Da fährt jetzt eine Frau. „Die kommen Kapitänin schauen“, sagt Oberlechner, und man merkt: So richtig gewöhnt hat sie sich an die Aufmerksamkeit noch nicht. Ein Foto? Natürlich dürfe man sie auch fotografieren, sagt sie geduldig, aber „komisch ist das schon“, der ganze Rummel um ihre Person.

Komisch vielleicht, aber nicht ganz unverständlich: Denn Oberlechner ist mit ihren 21 Jahren nicht nur sehr jung, sie ist auch die einzige Frau, die sich bei der altehrwürdigen „Donaudampfschifffahrtsgesellschaft“ (DDSG) „Frau Kapitän“ nennen darf. Lang hat's gedauert: In der über 180-jährigen Geschichte der DDSG (Gründungsjahr: 1829) ist Oberlechner überhaupt erst die zweite Frau, die das Schiffspatent abgelegt hat. (Die erste hat dies vor wenigen Jahren getan und arbeitet nun auf einem französischen Kabinenschiff). Mit neugierigen Blicken rechnet Oberlechner, gebürtige Tirolerin, noch länger, erzählt sie, während sie im Kapitänsbereich des Twin City Liner sitzt, der „Captain's Lounge“. Hinter dem glamourösen Namen steckt ein eher unglamouröser Raum mit einem kleinen Tisch und einer blauen Eckbank.

Von hier aus hat sie einen guten Blick auf die Schiffsstation Schwedenplatz, wo der Katamaran derzeit liegt. In Kürze werden die Passagiere für die 16.30-Uhr-Fahrt an Bord gehen, Oberlechner wird das Schiff nach Bratislava führen. Vorerst als Kokapitänin, ein erfahrener Kapitän sitzt während der Fahrt hinter ihr auf der Kommandobrücke und sieht ihr buchstäblich über die Schulter. Im Vorjahr hat sie die Lehre „Binnenschiffer“ beendet. Bis sie ein eigenes Schiffskommando bekommt, dauert es zwei bis drei Jahre: Bis dahin werden Jungkapitäne auf den Schiffen beaufsichtigt und absolvieren Probefahrten unter erschwerten Bedingungen, bei Nebel etwa, oder nachts.

Porsche unter den Schiffen. Der Twin City Liner sei dabei eine „eigene Liga“, sagt Oberlechner, „der Porsche unter den Schiffen“. Weil er wendiger ist als die großen Schiffe der DDSG (die Oberlechner auch immer wieder steuert) und viel schneller: Bei einer Geschwindigkeit von bis zu 37 Knoten (69 km/h) wirkt sich jeder noch so kleine Fehler beim Steuern viel gravierender aus als auf einem großen, langsamen Schiff mit 15 km/h, gerade im engen Donaukanal. „Dass man da auch eine enorme Verantwortung für viele Menschen hat, war mir während der Ausbildung nicht so bewusst“, sagt sie. „Aber jetzt denke ich viel darüber nach.“

106 Personen fasst die Passagierkabine, pro Saison werden über 120.000 Passagiere zwischen Wien und Bratislava befördert. Heuer rechnet man mit dem 650.000. Fahrgast auf den „Twinnies“, wie die Katamarane intern genannt werden. „Twinnies“, weil ihre beiden roten Rümpfe an den gleichnamigen Doppeleislutscher erinnern. Der „Twinnie“ ist längst zum Symbol für das viel beworbene engere Zusammenwachsen der Städte Wien und Bratislava geworden. Das zumindest aus touristischer Sicht funktioniert: Im Sommer 2006 startete die Schiffsverbindung mit einem eigens für diese Strecke gefertigten Katamaran, seit 2008 verkehren ob der großen Nachfrage zwei Schiffe bis zu fünf Mal täglich auf der Strecke.

Oberlechner selbst hat noch nicht so viel von Bratislava gesehen. Denn während das Schiff dort anlegt, bleibt kaum Zeit für Ausflüge: Das Schiff muss gewartet und überprüft werden. Und das dauert, gerade beim Twin City Liner, „der technisch vollgestopft ist. Heute müssen die Kapitäne viel mehr Ahnung von Technik haben als früher“, wie Otto Szabo sagt. Szabo (58) ist DDSG-Flottenkapitän und Ausbildner der jungen Binnenschiffer.

Dass er auch Frauen zur Ausbildung zugelassen hat – jährlich absolvieren etwa fünf Binnenschiffer die Lehre – , sei von den Kapitänskollegen ungläubig bis negativ aufgenommen worden. „Das ist die alte k.u.k Kapitänsgilde“, sagt Szabo, „die wollten einfach nicht wahrhaben, dass die Zeit für Frauen gekommen ist.“ Auch Oberlechner hat den männlichen Widerstand gespürt, wie sie sagt. „Man muss sicher mehr geben als die Männer und wird genauer beobachtet.“ Und ja, da waren auch diese Machosprüche: „A Frau auf dem Schiff bringt Unglück“, wahlweise auch: „An Bord gibt es nur einen Platz für die Frau: die Kombüse.“

Oberlechner zuckt mit den Schultern. So sei das eben. Abhalten konnten sie die Vorbehalte ohnehin nicht. Nach einer Schnupperlehre als 16-Jährige bei der DDSG wusste sie: „Das wird's“. Eine typische Lehre wie Friseurin oder ein Bürojob seien für sie undenkbar gewesen. „Ich wollte etwas Außergewöhnliches machen.“ Wie außergewöhnlich, daran wird sie nun öfters erinnert. Jedes Mal, wenn wieder Passagiere auf die Kommandobrücke klettern und es mit eigenen Augen sehen wollen: Da fährt jetzt eine Frau.

Der Twin City Liner

Seit 2006 verkehrt der Twin City Liner von April bis Ende Oktober mehrmals täglich zwischen Wien (Schwedenplatz) und Bratislava. Während der Landesausstellung in Carnuntum (ab 16. 4.) machen die Schiffe auch in Hainburg Station.
Ausbildung: Um Kapitän zu werden, muss man die dreijährige Lehre zum Binnenschiffer machen. Pro Jahr beenden diese etwa fünf Jungkapitäne.
www.ddsg-blue-danube.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2011)

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