Druml: "In-vitro-Fertilisation auch für Homosexuelle"

(c) Clemens Fabry
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Bioethikkommission lässt öffentlich über Eizellenspenden und Präimplantationsdiagnostik diskutieren. Kommissionsvorsitzende Christiane Druml fordert im Interview mit der "Presse" eine Reform der Gesetzeslage.

Die Presse: Die Bioethikkommission arbeitet im Auftrag des Bundeskanzlers an einer Stellungnahme zur Fortpflanzungsmedizin. Ist die heimische Rechtslage auf der Höhe der Zeit?

Christiane Druml: Die Frage ist einfach zu beantworten: nein. Sie hat die gesellschaftlichen Veränderungen der letzten 20, 30 Jahre nicht berücksichtigt.

Warum nicht?

Die Frage stelle ich mir auch, vor allem: Warum gab es keinen Aufschrei derer, die Fortpflanzungsmedizin benötigen? Jedes sechste Paar in Mitteleuropa hat ein Problem, sich den Kinderwunsch auf natürlichem Weg zu erfüllen. Den Bedarf gibt es also, aber wahrscheinlich wird er im Ausland gedeckt.

Sie sprechen vom „Befruchtungstourismus“: Helfen da denn nationale Regeln überhaupt?

Sie greifen zu kurz, trotzdem braucht man eine Lösung. Wir können nicht alles zulassen, weil es anderswo erlaubt ist, andererseits ist es heuchlerisch, extrem restriktiv zu sein und die Betroffenen um 90 Euro nach Barcelona fliegen zu lassen.

Was fehlt Ihnen im Gesetz?

IVF (In-vitro-Fertilisation, künstliche Befruchtung außerhalb des Körpers, Anm.) für alleinstehende Frauen und lesbische Paare, Eizellenspenden, PID (Präimplantationsdiagnostik, also Untersuchung von in vitro gezeugten Embryonen vor dem Einsetzen in die Gebärmutter, Anm.) – all das ist bei uns kein Thema. Das müsste man zumindest einmal öffentlich diskutieren.

Österreich steht wegen einiger dieser Punkte aktuell vor Gericht. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Republik in einem ersten Verfahren verurteilt, weil einerseits Eizellenspenden pauschal verboten sind und anderseits bei Samenspenden die Befruchtung im Reagenzglas nicht erlaubt ist. Was ist eigentlich rechtlich der Unterschied, ob die Samenspende in die Gebärmutter appliziert wird, was ja erlaubt ist, oder im Reagenzglas verschmilzt?

Gute Frage. Ich weiß es auch nicht.

Wie steht die Kommission zu diesen sogenannten Drittspenden, also Samenspenden und Eizellenspenden Dritter?

Wir sind noch in der Diskussion. Einige von uns möchten die letztgültigen Urteile abwarten, ich hoffe, dass wir im Herbst die Stellungnahme vorlegen.

Aber Sie haben eine persönliche Meinung dazu, oder?

Bei der Samenspende weiß ich überhaupt nicht, wo da das Problem sein sollte. Die Eizellenspende dagegen ist ein Eingriff mit gewissen Risiken. Hier kann ich mir aber unter noch zu definierenden strengen Voraussetzungen eine Erlaubnis vorstellen.

Sollte es für die Eizellenspende auch Geld geben?

Eine Kompensation für Krankenhausaufenthalt und den Verdienstentgang, aber es darf kein Geschäft sein.

Der Verfassungsgerichtshof prüft derzeit auch, ob ein lesbisches Paar Anspruch auf medizinisch unterstützte Fortpflanzung hat. Der Oberste Gerichtshof hat Bedenken gegen das bestehende Verbot geäußert. Zu Recht?

Ich denke, wenn Homosexuelle als Einzelperson adoptieren dürfen, muss IVF möglich sein. Es kann das eine nicht extrem unterschiedlich vom anderen geregelt sein, zumindest bei alleinstehenden und lesbischen Frauen bin ich für eine gewisse Parallelität der Regeln. Bei homosexuellen Männern ist die Situation biologisch eine andere.

Aber wenn man In-vitro-Fertilisation für lesbische Paare zulässt, könnten homosexuelle Männer Leihmutterschaft fordern.

Auch darüber muss man diskutieren dürfen. Wobei ich persönlich mit Leihmutterschaft Probleme habe. Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, wie man für jemand anderen ein Kind austragen und es dann hergeben kann.

Ein anderes Thema, das derzeit in Deutschland intensiv diskutiert wird, ist die Untersuchung von in vitro erzeugten Embryonen vor dem Einsetzen in die Gebärmutter. Schon 2004 hat sich die Kommission für die Präimpantationsdiagnostik ausgesprochen. Passiert ist nichts – frustriert Sie das?

Natürlich, aber das war vor meiner Zeit. Ich glaube, dass wir das Thema überhaupt neu diskutieren müssen; vielleicht kommt die Kommission, was die Voraussetzungen für PID betrifft, jetzt zu einer liberaleren Ansicht.

Wie stehen Sie zur PID?

Ich finde es heuchlerisch, Pränataldiagnostik (Untersuchungen am ungeborenen Kind, Anm.) zuzulassen, aber keine PID davor. Es gibt zum Beispiel Erkrankungen, bei denen das Kind vor der Geburt stirbt. Derzeit ist es so, dass man hier in vitro Embryonen herstellt, sie einsetzt, dann mittels Pränataldiagnostik untersucht, und wenn man sieht, dass es nicht zur Geburt kommen kann, eine Abtreibung vornimmt. Das kann es doch nicht sein.

Kritiker der PID fürchten, dass sie Tür und Tor für weitere Tests öffnet und etwa auch auf Krebs, Alzheimer oder Taubheit getestet wird.

Ich verstehe nicht, warum die Leute nicht auf das Recht vertrauen. Andere Regelungen führen ja auch nicht automatisch zu Ausweitung und Missbrauch.

Den aktuellen öffentlichen Diskussionsreigen im Bundeskanzleramt hat die Kommission auch initiiert, weil ihr eine gesellschaftspolitische Debatte fehlt. Interessiert das Thema die Leute nicht?

Das gilt für mehrere gesellschaftspolitische Themen; ich glaube, uns fehlt in Österreich die Kultur, derartige Themen öffentlich zu diskutieren. Da ist die Schweiz, die von der Größe und der gesellschaftlichen Struktur vergleichbar ist, ganz anders. Die machen direkte Demokratie über solche Fragen.

Auf einen Blick

Christiane Druml ist Juristin und Vorsitzende der Bioethikkommission des Bundeskanzleramts. Aufgabe der Kommission ist es, den Bundeskanzler zu beraten. Darüber hinausgehende Befugnisse hat sie nicht.

Bis kommenden Herbst soll die Kommission eine Stellungnahme zu Fragen der Fortpflanzungsmedizin ausarbeiten. Dabei will man auch die Bevölkerung einbeziehen. Noch bis heute, Dienstag, diskutieren Experten im Bundeskanzleramt öffentlich unter dem Titel „Fortpflanzungsmedizin – quo vadis?“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2011)

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