Skelettteile identifiziert: Vermisste Julia Kührer ist tot

Kuhrer Julia Knochenteile
Kuhrer Julia Knochenteile(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (Herbert Pfarrhofer)
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In einem leerstehenden Haus in Niederösterreich wurde am Donnerstag ein Skelett gefunden. Die Tote ist die seit 2006 vermisste Julia Kührer.

[ZELLERNDORF/WIEN] Die Szenerie, die sich am Freitagnachmittag im niederösterreichischen Dietmannsdorf (Gemeinde Zellerndorf) abspielt, erinnert an Strasshof im August 2006, als Natascha Kampusch ihrem Entführer entkommen konnte. Wieder sind sie alle da: Reporter, Übertragungswagen, Absperrbänder. Nur: in Dietmannsdorf gibt es kein derartiges Happy End.

Zwei Nachbarn hatten am Abend zuvor in einem praktisch leerstehenden Haus mitten in dem idyllischen Weinort Teile eines menschlichen Skeletts gefunden. Mittlerweile steht fest: Die Tote ist die seit 2006 vermisste, damals 16-jährige, Julia Kührer. Sie dürfte „seit längerer Zeit“ tot sein, so Ernst Geiger, Ermittlungsleiter im Bundeskriminalamt. Der Fundort und Kührers Heimat Pulkau sind nur wenige Kilometer voneinander entfernt. Neben Teilen des Skeletts wurde ein versengtes Englischwörterbuch gefunden – eines, wie es Kührer bei ihrem Verschwinden vor fünf Jahren bei sich hatte.

Verdächtiger in Wien verhaftet

Michael K., der 50-jährige Eigentümer des Hauses – er lebt in Wien – wurde noch in den frühen Morgenstunden am Freitag festgenommen. Er bestreitet, mit der Tat etwas zu tun zu haben. Ein Unbekannter sei der Mann, der bis kurz nach Kührers Verschwinden eine Videothek in Sichtweite von Kührers Elternhaus betrieben hatte, nicht, sagt Geiger: K. sei in den vergangenen Jahren viermal zu dem Fall einvernommen worden.

Bisher sei der 50-Jährige aber nie als „Verdächtiger“ geführt worden – sondern nur als eine von vielen „Gelegenheitspersonen“, die Kührer lose gekannt hatten. Seine Videothek sei, wie es in kleinen Ortschaften wie Pulkau üblich sei, ein Treffpunkt für viele Jugendliche gewesen – und auch dafür, dass er sie wenige Wochen nach Kührers Verschwinden geschlossen hat, hätte K. „wirtschaftliche Gründe dargelegt“, begründet Geiger, dass es keine Hausdurchsuchung in Dietmannsdorf gegeben habe.

Am Fundort haben sich am Freitag vor allem Pensionisten und Jugendliche eingefunden: Der Großteil der Ortsbewohner pendelt tagsüber aus. Als sich die Nachricht auch in den Nachbarorten herumspricht, fahren mehrere VW-Golf voller Jugendlicher im Schritttempo an Polizisten und Journalisten vorbei – ehemalige Schulkameraden und Freunde Kührers, die auf neue Informationen hoffen.

Dazu, dass Kührers sterbliche Überreste überhaupt gefunden wurden, kam es nur durch einen Zufall: Am Donnerstagabend war einem Nachbarn beim Spielen mit seinem Hund ein Ball auf das Grundstück – der Eigentümer hat es seit mehreren Jahren nur mehr sporadisch besucht – gerollt. Gemeinsam mit einem zweiten Nachbarn betrat er den Hof, öffnete ein mit einer Spanplatte lose verschlossenes Kellergewölbe – und fand dort Teile eines Skeletts.

„Am Anfang der Ermittlungen“

Unter den Leichenteilen befand sich auch der Unterkiefer, der der Polizei schließlich ermöglichen sollte, die Tote als Julia Kührer zu identifizieren: Ihre zahnärztlichen Unterlagen stimmten mit dem Gebiss der Leiche überein. Eine Todesursache stünde noch nicht fest, sagt Geiger. Die Ermittler gehen aber – nicht zuletzt wegen des jungen Alters und dem Fundort des Opfers – von einem Gewaltverbrechen aus. „Man muss aber sagen, dass wir bei den Ermittlungen gegen diesen Verdächtigen ganz am Anfang stehen“, so Geiger.

In Dietmannsdorf kursieren am Freitag bereits Gerüchte über den Verdächtigen. Nachbarn beschreiben den Mann, der in den vergangenen Jahren nur sporadisch in der 400-Einwohner-Ortschaft aufgehalten haben soll, als sportbegeistert: Ein fanatischer Rapid-Fan sei der 50-Jährige gewesen, gerüchteweise soll er sogar am Platzsturm beim Derby im Hanappi-Stadion Ende Mai teilgenommen haben. Selbst soll K. Profi-Wrestler gewesen sein – und manche wollen beobachtet haben, dass er immer wieder junge Frauen in sein Haus eingeladen habe – damals, vor fünf Jahren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 2. Juli 2011)

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