Wetter: Männer, die durch Hagel fliegen

Maenner durch Hagel fliegen
Maenner durch Hagel fliegen(c) Teresa Zötl
  • Drucken

Seit 34 Jahren kämpfen die Hagelflieger vom niederösterreichischen Flugplatz Gneixendorf aus gegen eine zerstörerische Naturgewalt. Wie der Krieg gegen die Eiskörner funktioniert – und warum er immer teurer wird.

Richard Bandion hat schon lange aufgehört sich zu fragen, wie die Windschutzscheibe der einmotorigen Cessna 210 dem Aufprall hunderter walnussgroßer Hagelkörner widerstehen kann. „Ich hätte eigentlich nicht gedacht, dass das Glas solcher Kraft standhält“, sagt der 32-Jährige und deutet auf unzählige Dellen und Kratzer, die der Hagel auf den Tragflächen hinterlassen hat: Narben, die jedes der drei Flugzeuge des „Kulturschutzvereins Langenlois und Umgebung“ aus Dutzenden Gefechten gegen eine der zerstörerischsten Naturgewalten davongetragen hat.

Seit 1977 versucht eine Handvoll Männer aus dem Raum Krems, mit Flugzeugen die Weingärten und Felder der Region vor Hagel zu schützen – ein Engagement, das sich rechnen könnte, wenn man bedenkt, dass Hagelunwetter erst am Donnerstag wieder mindestens 500.000 Euro an Schäden auf Österreichs Feldern angerichtet haben. Die Waffe der Hagelflieger: Silberjodid. Werden Gewitterwolken mit dem Salz „geimpft“, bilden sich um diese Partikel herum anstelle großer Hagelkörner viele kleinere, die Kulturpflanzen nicht gefährlich werden sollen – so die Theorie.


Knapp unter den Wolken.
In der Praxis ist das ein kompliziertes Unterfangen: Um das Silberjodid in die Wolken zu bringen, müssen die Hagelflieger möglichst nahe an sie herankommen und dann zwei an den Fliegern montierte Röhren zünden, in denen mit Aceton versetztes Silberjodid verbrannt wird, damit es aufsteigt. Dazu müssen die Piloten „so nahe an der Unterkante des Gewitters wie nur möglich fliegen“, erklärt Bandion. Er selbst fungiert als Einsatzleiter der Hagelflieger, die vom Kremser Kleinflugplatz Gneixendorf aus wichtige Weinbaugebiete wie die Wachau, den Wagram, das untere Kamp- und obere Traisental abdecken.

Das heißt, dass sie nicht nur mit Blitz und Donner, Regen und Hagel fertig werden müssen, sondern auch mit den tückischen Winden, die unter Gewittern herrschen: Bei Hitzegewittern werden große Mengen heißer Luft nach oben gesaugt – was nicht nur für die Hagelbildung verantwortlich ist, sondern das Fliegen unterhalb der Wolke schwierig macht.

Bandion sieht das als „sportliche Herausforderung“, die das Hagelfliegen für Piloten interessant macht – wirklich gefährlich sei es nicht: „Sehe ich aus, als ob ich mich umbringen will?“, fragt der hauptberufliche IT-Techniker im Scherz. Wie auch die anderen sechs Piloten der niederösterreichischen Hagelflieger fliegt er alle Einsätze – durchschnittlich sind die Flieger von Mitte April bis Ende September jeweils rund zehn Stunden lang in der Luft – ehrenamtlich.

Denn das rund 100.000 Euro starke Budget des Vereins geht zu einem Drittel in die Wartung der Flugzeuge, der Rest fließt vor allem in einen Posten: den Nachkauf von Silberjodid. Der Preis für die Chemikalie hat sich in den vergangenen Jahren von 17 auf 59 Euro mehr als verdreifacht – bei einem Verbrauch von mehr als 1000 Litern im Jahr eine massive Belastung für das Vereinsbudget, besonders weil in den kommenden Jahren die Erneuerung der Flugzeuge – samt des zugehörigen teuren Genehmigungsprozesses wegen der Zusatzmodule – ansteht.

Finanziert wird das alles aus den Mitgliedsbeiträgen der Bauern aus der Region: „Wir hätten gern den Richtwert von 25 Euro pro Hektar Anbaufläche von den Bauern – aber überprüfen können wir es nicht“, sagt Bandion. Geld von der Hagelversicherung oder vom Land Niederösterreich gibt es nicht, im Gegensatz zur Steiermark, die die einzig andere österreichische Hagelfliegerstaffel großzügig fördert.

Dass es gerade die Bauern um Krems sind, die für die Hagelflieger Geld in die Hand nehmen, erklärt sich Bandion so: „Landwirten mit normalen Feldfrüchten kann es unter dem Strich egal sein, ob sie ihre Ernte verlieren – die sind meistens versichert, bekommen den Verlust also ersetzt. In einem von Hagel zerstörten Weingarten wächst aber bis zu zwei Jahre lang nichts, was die Weinbauern hier in der Region besonders treffen würde. Außerdem könnten die ihre Stammkunden dann nicht mit Markenwein beliefern, was den Schaden für sie noch einmal schlimmer macht.“


Wirkung nicht bewiesen.
Allerdings: Versprechen, dass es gar nicht hagelt, können die Hagelflieger ebenso wenig wie beweisen, dass die Wirkung eines Gewitters durch sie abgeschwächt worden ist. „Man kann nicht wissenschaftlich belegen, ob die Silberjodid-Methode funktioniert: Dazu müsste man die Schäden nach demselben Gewitter einmal mit, einmal ohne Impfung beobachten – und das geht nicht“, sagt der Meteorologe Lars Lowinski vom Wetterdienst Ubimet. Allerdings hätte eine Langzeitstudie der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik ergeben, dass es in der von den Hagelfliegern betreuten Region rund 40 Prozent weniger Schäden gegeben habe als in angrenzenden Gebieten.

Die Hagelflieger von Gneixendorf sichten jedenfalls weiterhin täglich den Wetterbericht – und beobachten den Himmel. Wenn sich dort wieder ein Unwetter zusammenbraut, gibt Richard Bandion den Einsatzbefehl – und steigt selbst auf, zum Flug ins Herz des Hagels.

Der Kampf Gegen Hagel

Die Idee, Hagel, der jährlich Millionenschäden an Feldfrüchten verursacht, mit Silberjodid zu bekämpfen, stammt aus den USA. Dabei werden Gewitterwolken mit dem Salz „geimpft“, sodass das Wasser kristallisiert und herunterfällt, statt große Hagelkörner zu bilden. Ursprünglich haben Bauern das Silberjodid mit Raketen in die Wolken geschossen, mittlerweile hat sich die Technik etabliert, es mit Flugzeugen nach oben zu bringen. Bewiesen ist die Wirkung aber nicht.

in Zahlen

3Kleinflugzeuge zur Hagelabwehr hat der „Kulturschutzverein Langenlois und Umgebung“ am Flugplatz Krems- Gneixendorf stationiert.

7Piloten beobachten täglich von April bis September die Wetterlage – und steigen auf, wenn sich ein Gewitter mit Hagelrisiko nähert.

1000Liter Silberjodid verwenden die Hagelflieger jährlich, um Gewitterwolken zu „impfen“. So soll die Hagelgefahr gebannt werden – wissenschaftlich erwiesen ist das aber nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.