Sexueller Missbrauch: Zuwachs bei Verurteilungen

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Im Jahr 2010 wurden österreichweit 648 Personen wegen Sexualstraftaten verurteilt. Indessen zeigt eine neue Studie, wie eng die Täter-Opfer-Beziehungen bei sexueller Gewalt meist sind.

Wien. Die Übergriffe auf Mädchen des Kinderheims der Stadt Wien am Wilhelminenberg sollen zwar von einer Kommission untersucht werden, die Täter können aber wegen Verjährung nicht mehr verurteilt werden. Doch wie sieht es in Österreich generell mit Verurteilungen wegen Sexualdelikten aus? Diese Zahl stieg zuletzt an: 2010 wurden 648 Personen (632Männer, 16Frauen) wegen derartiger Straftaten verurteilt. Dies bedeutet eine Zunahme um 6,6 Prozent im Vergleich zum Jahr davor.

Gerade bei unmündigen Opfern, also bei jenen, die das 14.Lebensjahr noch nicht vollendet haben (zum Vergleich: die Heimkinder vom Wilhelminenberg waren im Alter zwischen sechs und 14), ist ein Plus zu verzeichnen: So wurden im Vorjahr 93 Personen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen verurteilt. 2009 waren es 79Personen, 2008 noch 75. Diese Zahlen stammen aus dem jüngst erschienenen Sicherheitsbericht der Strafjustiz. Der dortige Vergleichszeitraum reicht bis 2001 zurück. Daher zeigt sich, dass es nur 2003 mehr Verurteilungen wegen dieses Delikts (96) gab.

Dass bei den meisten Sexualdelikten ein gewisses Naheverhältnis zwischen Opfern und Tätern besteht, ist allgemein bekannt – wie eng dieses tatsächlich ist, hat jüngst das Wiener Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie erhoben. Eine noch unveröffentlichte Studie (sie wurde der „Presse“ vom wissenschaftlichen Leiter des Instituts, Arno Pilgram, zur Verfügung gestellt) zeigt, dass fast 90Prozent der jugendlichen Opfer mit den Tätern bekannt sind oder mit diesen in familiärer Beziehung stehen. Oder sogar mit den Tätern in Hausgemeinschaft leben (siehe Grafik). Diese Daten beziehen sich auf das Jahr 2010 und gelten bundesweit.

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Mädchen kennen ihre Peiniger

Die Untersuchung ergibt, dass sich die Sexualdeliktsopferrate von Altersstufe zu Altersstufe verdoppelt. Auf 100.000 unter Sechsjährige kamen im Vorjahr 14Anzeigen wegen Sexübergriffen. Bei den Sechs- bis unter Zehnjährigen waren es 30Anzeigen pro 100.000 Menschen dieser Altersgruppe. Im Sektor der zehn- bis unter 14-jährigen Opfer zählte man 64Anzeigen.

Und es gilt: Je jünger die Opfer sind, desto eher sind die Täter im Familienkreis zu finden. Beispiel: Bei den Sechs- bis unter Zehnjährigen sind 55Prozent der Täter Familienangehörige. Bei den Zehn- bis unter 14-Jährigen kommen 39Prozent der Täter aus der eigenen Familie. Bei Mädchen sind diese Prozentsätze höher als bei Burschen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2011)

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