Hausärzte-Sterben bis 2020: Mediziner schlagen Alarm

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Ärzte warnen nun, dass bald viele Praxen leer stehen werden - vor allem in ländlichen Regionen. Immer weniger Jungmediziner wollen Hausärzte werden. Die Folgen eines „Hausärzte-Sterbens“ würden „horrend“ sein.

Wien. Es brodelt schon länger im Kreis der Hausärzte. Am Dienstag wurde der Ärger unter den Allgemeinmedizinern virulent: Mehrere Vertreter der heimischen Allgemeinmediziner traten an die Öffentlichkeit, um vor einem elenden „Hausärzte-Sterben“ zu warnen. Die Selbstdiagnose gemäß einer Schätzung des Österreichischen Hausärzteverbandes (ÖHV): In den nächsten zehn Jahren werden etwa 2000, also die Hälfte aller 4000 Allgemeinmediziner mit Kassenverträgen in Pension gehen. Gleichzeitig wollen immer weniger Jungmediziner Hausärzte werden. Die Folge laut Hausärzteverband: ein „riesiger“ Mangel an Hausärzten. „Die gewohnte wohnortnahe, persönliche wie individuelle Behandlung ist damit in Gefahr“, verkündete der ÖHV bereits via Presseaussendung.

Wien: 800 Stellen werden frei

Allein in Wien würden bis 2020 geschätzte 800 der aktuell 1600 niedergelassenen Hausärzte in Pension gehen, und die Nachfolge sei aufgrund des sinkenden Interesses beim Nachwuchs ungewiss, warnte laut ORF-„Teletext“ auch der Chef der Allgemeinmediziner in der Wiener Ärztekammer, Rolf Jens. Bewarben sich vor zehn Jahren noch 15 bis 20 Mediziner für eine frei werdende Ordination, seien es heute nur noch drei bis sechs – Tendenz: deutlich sinkend, so Jens.

Die Folgen eines derart zu erwartenden „Hausärzte-Sterbens“ in Wien und noch viel mehr in ländlichen Regionen würden „horrend“ sein, warnt im Gespräch mit der „Presse“ der Präsident des Österreichischen Hausärzteverbandes, Christian Euler: Gehen die Ärzte in Pension und finden sich zu wenige „Neue“ für ihre Praxen, würden die Bürger ihre oft „wichtigsten Vertrauenspersonen“ im Gesundheitssystem verlieren. Euler: „Wir Allgemeinmediziner pflegen eine besondere Beziehung zum Patienten, bis hin zu einer jahrzehntelangen Begleitung in Gesundheitsfragen.“

Außer der intensiven Betreuung, die durch Hausärzte gewährleistet sei, führt der ÖHV volkswirtschaftliche Argumente ins Treffen: Geht die Basisversorgung durch Allgemeinmediziner verloren, würden häufig teure Untersuchungen und Therapien den Ersatz bilden. Und das könne auch nicht im Sinne des Staates sein. Beim Hausärzteverband spricht man sogar schon von einer „ökonomischen Katastrophe“, die Österreich bei einem „Hausärzte-Sterben“ drohe.

Die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) erwartet vor allem auf dem Land eine Dramatisierung der Lage: Rund 2000 der 4000 Hausärzte mit Kassenverträgen gehen dort demnächst in Pension. Und dorthin Jungmediziner zu „locken“, werde aufgrund der geografischen Lage und damit erschwerten Arbeitsbedingungen immer schwieriger, so ein ÖÄK-Sprecher.

Als Maßnahme gegen das „Hausärzte-Sterben“ fordern sowohl die ÖÄK als auch der ÖHV eine attraktivere Ausbildung der Jungärzte: Allgemeinmedizin müsse an allen drei staatlichen Medizinuniversitäten früher und intensiver als bisher gelehrt werden, dann würden sich auch mehr angehende Ärzte für eine Karriere als Hausarzt interessieren. Außerdem auf dem Forderungskatalog der Interessenvertreter: Der Bund solle endlich die „höchst sinnvolle“ Ausbildung von Jungmedizinern in sogenannten Lehrpraxen bei Hausärzten „ausreichend“ fördern.

Das Gesundheitsministerium Alois Stögers (SPÖ) hat sich bisher nicht auf mehr Geld vom Bund für Lehrpraxen festgelegt. Auch eine modernere Ausbildung von Allgemeinmedizinern an den Unis sowie an den Spitälern steht noch in Diskussion zwischen Gesundheits- und Wissenschaftsministerium.

Auf einen Blick

4000 Allgemeinmediziner mit Kassenverträgen gibt es zurzeit in Österreich, viele sind zwischen 50 und 60 Jahre alt. Bis 2020 werde die Hälfte aller Hausärzte in Pension gehen, schätzen Interessenvertreter. Es fehle an Nachwuchs, warnen sie: Die Politik müsse Ausbildung und Beruf wieder attraktiver machen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2011)

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