Barrieren: Kein Platz für Rollstuhlfahrer

Symbolbild
Symbolbild(c) APA (BARBARA GINDL)
  • Drucken

Österreich liegt bei Berücksichtigung von Menschen mit Handicap international im Mittelfeld. Das geht aus dem aktuellen Zero Project Report hervor. Lokale oder Geschäfte bleiben Rollstuhlfahrern oft verschlossen.

Wien/Cim. Die Wartezeiten auf die nächste Straßenbahn sind oft nervtötend lang. 20 Minuten, oft eine halbe Stunde warten Rollstuhlfahrer an manchen Strecken Wiens, bis die nächste Niederflurstraßenbahn kommt. Abgesehen davon zeigen sich Wiener Rollstuhlfahrer mit der Situation im öffentlichen Verkehr aber recht zufrieden.

„Es gibt in Wien jede Menge Geschäfte, in die man nicht hineinkommt, auch Schulen sind oft nicht barrierefrei. Im öffentlichen Verkehr funktioniert das aber recht gut, man bemüht sich auch sehr“, berichtet Thomas Stix, selbst Rollstuhlfahrer.

Große Differenzen in den Ländern

Der Abbau der Barrieren für Menschen mit Behinderung war am Sonntag und Montag Thema der „International Conference on Good Policies for Disabled People“ in Wien, die gemeinsam vom Project Zero und World Future Council organisiert wurde.

Das Zero Project ist eine Initiative der Stiftung Essl, hinter der die Familie Essl, Eigentümer der Baumax-Gruppe, steht. Das Ziel der Konferenz ist, jene Gesetze aus verschiedenen Ländern zu präsentieren, die besonders gut funktionieren, um anderen als Vorbild zu dienen. Das österreichische Behindertengleichstellungsgesetz beispielsweise sei ein Vorbild zur Herstellung der Barrierefreiheit, sagt Jakob von Uexküll von der Stiftung World Future Council.

Im internationalen Vergleich liegt Österreich, was die Inklusion von Menschen mit Behinderung betrifft, im Mittelfeld. Das geht aus dem aktuellen Zero Project Report hervor, für den die Situation in 36 Ländern untersucht wurde. In Summe wurden dafür mehr als 100 Experten befragt.

Ein großes Manko in Österreich ist, so Studienautor Michael Fembek, dass es kaum Daten über das Leben der Menschen mit Behinderung – etwa in den Bereichen Bildung, Hochschulabschluss, Beschäftigung oder Wohnsituation – gibt. Eine weitere Besonderheit Österreichs ist, dass viele der untersuchten Fragen in Österreich in die Kompetenz der Länder fallen.

Deutliche Unterschiede gibt es beispielsweise bei der Barrierefreiheit von Gebäuden, die in Oberösterreich und Kärnten am besten bewertet wird. In Wien kritisieren Vertreter der für die Studie befragten NGOs besonders, dass viele Arztpraxen für Menschen mit Behinderung nicht zugänglich sind. Es gibt zwar die rechtliche Verpflichtung, einen barrierefreien Zugang zu gewähren, das sei aber nicht effektiv. Zum Beispiel gebe es lange Übergangsfristen, oder die Barrierefreiheit sei nicht nach anerkannten Standards definiert.

Barrierefrei in sieben Jahren?

Die Frist, dass alle öffentlichen Gebäude in Österreich bis 2015 behindertengerecht umgebaut werden müssen, wurde vor zwei Jahren bis 2019 verlängert. „In Österreich wird die Beseitigung von baulichen Barrieren auf die lange Bank geschoben“, kritisiert die „Selbstbestimmt Leben Initiative Österreich“ (SLIÖ). 90 Prozent der Betriebe und Einrichtungen würden bis zum endgültigen Ablauf aller Übergangsfristen warten, bis sie ihre Gebäude behindertengerecht umbauen. Die faktische Situation in Österreich habe sich – trotz gesetzlicher Verbesserungen – damit kaum verbessert, heißt es von der SLIÖ.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.