Wiener Linien droht Klagswelle

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Ein Pensionist klagte, weil er erst ab 65 Jahren ein Seniorenticket bekommen hätte – das Gericht sprach ihm eine Rückzahlung und Schadenersatz zu.

Wien. Frauen bekommen bei den Wiener Linien ab 60 Jahren eine Seniorenermäßigung, Männer erst ab 65 – das ist diskriminierend, entschied der Verfassungsgerichtshof im Dezember 2010. Mit der Folge, dass seit 1. Jänner 2012 Männer und Frauen schon ab dem vollendeten 60. Lebensjahr ein Anrecht auf Seniorentickets haben. So weit, so gut – doch für einige Betroffene der alten Regelung ist der Kampf damit noch nicht beendet, sie wollen im Nachhinein das zu viel bezahlte Geld zurück.

Das Bezirksgericht Innere Stadt hat bei einer entsprechenden Klage nun ein möglicherweise wegweisendes Urteil gefällt – dem 63-jährigen Pensionisten Herbert Sedwig wurde nicht nur der Betrag zugesprochen, den er in den Jahren 2010 und 2011 mehr zahlen musste als gleichaltrige Frauen (das entspricht insgesamt 458 Euro), sondern auch eine Entschädigung für die erlittene Diskriminierung in Höhe von 500 Euro. Inklusive Schadenersatz und Verfahrenskosten, so Sedwigs Anwalt Helmut Graupner, müssten die Wiener Linien rund 2000Euro bezahlen.

Auch andere betroffen

Graupner sieht im (nicht rechtskräftigen) Urteil einen Präzedenzfall – seiner Ansicht nach hätten nun alle Männer, die zwischen 60 und 65 Jahren eine Jahreskarte der Wiener Linien hatten, Anspruch auf Entschädigung. Und nicht nur das – das Gleiche gelte auch für sämtliche weiteren Verkehrsunternehmen, die Männer und Frauen bei der Zuerkennung von Seniorenkarten ungleich behandelt haben. Bei den Wiener Linien will man gegen das erstinstanzliche Urteil jedenfalls berufen. „Wir haben uns bis vergangenes Jahr immer an eine Verordnung des Verkehrsministeriums gehalten“, sagt Sprecher Dominik Gries. „Damit waren wir immer auf rechtskonformer Seite und erkennen nicht, dass wir eine Regel verletzt hätten.“

Zudem habe man in einem ähnlichen Fall schon einmal recht bekommen. Auch hier war ein Pensionist gegen die Wiener Linien angetreten – und verlor in zweiter Instanz am Landesgericht für Zivilrechtssachen mit der Begründung, dass der Verfassungsgerichtshof die diskriminierende Verordnung erst mit Stichtag 31.Dezember 2011 aufgehoben hat.

Allerdings: Die aktuelle Klage argumentiert nicht mit nationalem Recht, das dem Spruch des Verfassungsgerichtshofs unterliegt, sondern mit der EU-Antidiskriminierungsrichtlinie, die hier angewandt werden müsse. Das Bezirksgericht Innere Stadt schloss sich dem an. Dass nun eine Klagswelle von Männern zwischen 60 und 65 Jahren drohen könnte, fürchtet man bei den Wiener Linien nicht – demnach habe man auch keinerlei Kalkulationen angestellt, wie viele Betroffene es geben oder wie hoch ein möglicher Schaden ausfallen könnte.

Anwalt Graupner rechnet hingegen naturgemäß damit, dass das zuständige Handelsgericht Wien das erstinstanzliche Urteil bestätigen wird – sollte es das nicht, müsste es seiner Ansicht nach den Fall dem Europäischen Gerichtshof vorlegen.

ÖBB: Noch keine Fälle

So wie die Wiener Linien haben auch andere Verkehrsunternehmen Anfang 2012 ihre Regeln für Seniorenrabatte geändert. Bei den ÖBB ist die Vorteilscard Senior für Männer und Frauen ab dem vollendeten 60.Lebensjahr erhältlich. Und Klage wegen Diskriminierung durch die alte Regelung, sagt ÖBB-Sprecher Herbert Ofner, gebe es noch keine einzige.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2012)

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