Wie gut lebt Wien von (Falsch-)Parkern?

(c) Clemens Fabry
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Ein billigeres Parkpickerl in mehr Bezirken, teureres Kurzparken und Abschleppen. Aber was wird aus diesen Einnahmen? Sie stärken Verkehrs- und Sozialbudget und die Nutzung der Öffis. Hoffen zumindest die Grünen.

Wien. Parken mit Pickerl, dieses Konzept legt derzeit einen von der Stadtregierung angeführten Eroberungsfeldzug in Wien hin – mit immer breiter werdender Front außerhalb des Gürtels: Am Donnerstag fand eine rot-grüne Mehrheit im Bezirksparlament Ottakring die Entscheidung für das Pickerl. Am Tag davor sagte Hernals „Ja“ zum Pickerl, Meidling und Rudolfsheim-Fünfhaus sind ebenfalls dafür.

Während Bezirke wie Liesing oder Simmering dem flächendeckenden Pickerl eine Absage erteilten, ist der Ausgang einer Bewohnerbefragung im 18. Bezirk noch ungewiss. Am 16. März wird ausgezählt. Wobei nicht alle Bewohner ihre Stimme abgeben durften, sondern nur jene, die in Bereichen wohnen, in denen das Pickerl eingeführt werden soll. Inkrafttreten wird die Regelung in allen Zonen erst am 1. Oktober – der Termin wurde wegen Diskussionen um einen Monat verschoben.

Fleckerlteppich sinnvoll?

Die Bezirke 12, 15, 16 und 17 verhielten sich dabei nach Wunsch der grünen Vizebürgermeisterin – die Reduktion von Autoverkehr im Stadtgebiet ist seit jeher Maria Vassilakous Lieblingsthema, schwierigeres Parken in Außenbezirken soll öffentliche Verkehrsmittel attraktiver machen. Wie viel Parkraum das Pickerl bringt, hängt jedoch auch davon ab, ob es flächendeckend eingeführt wird. Sonst droht ein simpler Verdrängungswettbewerb: Wochenpendler, die Fahrzeuge häufig zu Wochenbeginn in den Außenbezirken parken, müssten sonst nur auf einen Nachbarbezirk ohne Pickerl ausweichen. Würden die Bezirke 10 bis 19 flächendeckend Pickerl einführen, könnten sie laut einer Studie eines Grazer Verkehrsplanungsbüros (im Auftrag der Stadt) mit rund 35 Prozent weniger Nachfrage nach Stellplätzen rechnen. Je mehr „Fleckerlteppich“ statt „flächendeckend“, desto weniger gilt das.

Problematisch sind Straßen, die an der Bezirksgrenze verlaufen, wo Bewohner also nur auf einer Straßenseite parken dürften. Zwischen 16. und 17. Bezirk soll es daher Überlappungszonen geben, für den 17. und 18. Bezirk wird ein Kombipickerl überlegt.

Mit dem „Lenkungseffekt“ sehen sich Autofahrer an allen Ecken und Enden ihres bewirtschafteten Parkraums konfrontiert: Während die Kosten für Parkpickerl und Jahreskarte der Wiener Linien gesunken sind, müssen Kurzparker seit 1.März um zwei Drittel mehr ausgeben – offiziell wird das Verwenden alter Parkscheine bestraft, inoffiziell gilt noch das Motto „Kulanz“, also Informationsblatt statt Strafzettel an der Scheibe. Das Ausmaß der Verteuerung erklärt Vassilakou mit einer Annäherung an Öffi-Kosten (1,80 pro Einzelfahrt, eine Stunde Parken kostet nun zwei statt 1,20 Euro). Wien liege auch nach der Erhöhung im Mittelfeld im Vergleich zu anderen europäischen Städten.

Doch dem politischen Hintergedanken zum Trotz sind Parkscheine auch eine Geldquelle für die Stadt: 48,5 Mio. Euro flossen 2011 aus Parkscheinen, in Papierform oder per Handy „ausgefüllt“, durch eine Zweckwidmung ins Verkehrsbudget, in den Garagenbau oder neue Schutzwege. Unter der Annahme, dass ähnlich viele Menschen Parkscheine kaufen wie 2011, könnten die Einnahmen aus 2012 auf rund 67 Mio. Euro ansteigen – zum Vergleich: Wiens Hunde werden nach der Erhöhung der Hundesteuer 2012 nur rund 3,7 Mio. Euro einbringen. Vassilakou betont: „Parkraumbewirtschaftung ist kein Instrument, mit dem die Stadt die Kassen füllt, das Geld wurde für den U-Bahn-Ausbau oder neue U6-Garnituren verwendet.“ Oder für neue Straßen: Jene rund um den Hauptbahnhof kosten rund 150 Mio. Euro – dreimal so viel, wie die Parkscheine bringen.

Sozialer Beitrag: Falschparken

Bleibt noch eine besonders unbeliebte Einnahmequelle: Rund 33 Mio. Euro an Strafzahlungen wegen Verletzungen des Parkometergesetzes leisten Wiens Autofahrer im Jahr. Nachdem 200 „Blaukappler“ neun Mio. Euro jährlich kosten, bleiben 24 Mio. Euro – eine Summe, die „über die Jahre ziemlich konstant bleibt“, so Ernst Wagner, Leiter der MA 67. Eine Summe, die zweckgewidmet ist, für das Sozialbudget, das mit rund 1,2 Milliarden Euro um ein Vielfaches größer ist. Teurer geworden ist auch Abschleppen: Die Gebühr wurde 2007 und 2012 erhöht, mittlerweile kostet ein abgeschlepptes Auto 251 Euro. Rund fünf Mio. Euro brachte dies bei 26.430 abgeschleppten Fahrzeugen 2011 – Geld, das laut Magistratsabteilung (MA 48) die Kosten für Personal und Abschleppfahrten deckt. Den Kostenanstieg erklärt man mit höheren Personal- und Treibstoffkosten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2012)

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