Zusammenleben: Wiener sollen Charta schreiben

(c) FABRY Clemens
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Die Stadt Wien startet eine Initiative, bei der sich jeder Bürger beteiligen kann. Die Rede ist von der Wiener Charta, deren Startschuss am Dienstag offiziell fiel. Das Ziel: neue Spielregeln für das Zusammenleben.

Wien. Für Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger ist es „die größte Bürgerbeteiligung Europas“. Für Bürgermeister Michael Häupl ein Instrument, „um am Ende des Tages zu einem besseren Zusammenleben in Wien zu kommen“. Und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou meint: „Das wird funktionieren, denn die Charta wird von den Bürgern erarbeitet.“

Die Rede ist von der Wiener Charta, deren Startschuss am Dienstag offiziell fiel. In diesem Papier sollen Grundregeln für ein besseres Zusammenleben in Wien von den Bürgern selbst erarbeitet werden – in kleinen Gruppen, mithilfe eines Mediators. Dabei sollen die Bedürfnisse von unterschiedlichsten Gruppen (jungen Menschen und Senioren, Arbeitnehmern und Arbeitgebern, Migranten und Inländern) unter einen Hut gebracht werden. Die Charta soll dann eine Art Leitbild der Stadt werden – allerdings auf Basis von Empfehlungen. Verstöße gegen die Charta werden daher nicht geahndet, solange sie nicht andere, strafrechtliche Belange betreffen.

Der Ablauf des Charta-Prozesses: Von 19. März bis 1. April werden Themen und Ideen für ein gutes Zusammenleben gesammelt – online (www.charta.wien.at) und telefonisch (4000 815 61). Danach werden bis 12. April die Anregungen von einem Beirat in mehrere Themenfelder unterteilt.

Dann startet das Herzstück des Charta-Prozesses. In sogenannten Charta-Gruppen werden bis 14.Oktober die verschiedenen Themenbereiche diskutiert, mit dem Ziel, dass die Gruppen Regeln für ein besseres Zusammenleben in Wien erarbeiten. Die zentralen Fragen: Was ist wichtig für ein gutes Zusammenleben? Was kann ich dazu beitragen? Was soll in die Charta aufgenommen werden?

An diesen Gruppen kann jeder Wiener teilnehmen bzw. kann jeder Wiener selbst eine Gruppe gründen. Damit sich nicht nur ein paar wenige engagieren, wird auf Partner gesetzt – also Firmen und Institutionen, die in ihrem Bereich Charta-Gruppen einrichten. Ihre Teilnahme haben bereits (unter anderem) IBM, die Caritas, und auch die Erzdiözese Wien zugesagt. Weitere Firmen und Institutionen sollen folgen. Ein Mediator, der die jeweilige Gruppe leitet, wird nach den Gesprächen die Ergebnisse zusammenfassen. In der Endphase der Charta-Gespräche (28. September bis 14. Oktober) werden die gesammelten Ergebnisse online nochmals diskutiert.

Am Ende soll ein Papier stehen, in dem die wichtigsten Regeln für ein gutes Zusammenleben in Wien zusammengefasst sind – und das nach Aussagen der Stadtregierung eine offene Stadt definieren soll. Dieses Papier soll in Form einer Kampagne verbreitet werden. Wobei Häupl klarstellt: „Es gibt Dinge, die sind nicht verhandelbar. Dazu gehören beispielsweise Frauen- und Kinderrechte.“

Eine Maßnahme gegen die FPÖ

Wie will die Stadt dafür sorgen, dass nicht nur jene mitarbeiten, die sich ohnedies bereits engagieren? Frauenberger zur „Presse“: „Wir binden auch Fußballvereine, Kegelvereine usw. ein. Damit wollen wir dort auch jene erreichen, die sich ansonsten nicht engagieren.“ Nebenbei soll die Charta auch eine Maßnahme gegen die FPÖ sein – auch wenn Häupl die Strache-Partei nicht namentlich nennt: „Vielfalt in Wien braucht Respekt und Solidarität.“ Die Charta sei ein Schutzwall gegen jene, die die Bevölkerung auseinanderdividieren wollten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2012)

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