Schlepper-Kriminalität stieg stark: "Der Hut brennt"

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Mit 9812 Personen wurden 2011 in Österreich um 47 Prozent mehr geschleppte Personen aufgegriffen als im Jahr zuvor. Innenministerin Mikl-Leitner: Griechisch-türkische Grenze steht "sperrangelweit offen".

Wien. Mit drastischen Worten kommentierte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (VP) die gestern, Montag, veröffentlichten Zahlen zur Schlepper-Kriminalität 2011: Laut Daten des Innenministeriums brachten Schlepper im vergangenen Jahr nicht weniger als 9812 Menschen illegal nach Österreich – ein Anstieg um knapp 47 Prozent gegenüber 2010.

„Der Hut brennt. Wir müssen endlich die sperrangelweit offene griechisch-türkische Außengrenze in den Griff bekommen“, erklärte Mikl-Leitner. Insgesamt griff die Exekutive im Vorjahr 21.232 Menschen auf (plus 27 Prozent gegenüber 2010) , die sich illegal in Österreich aufhielten. „Die Presse“ beantwortet im Folgenden die wichtigsten Fragen zur aktuellen Statistik.

1 Woher stammen die meisten geschleppten Personen?

Besonders viele Menschen kamen 2011 aus Asien (siehe auch Grafik). Die Liste führen Personen aus Afghanistan an (knapp 3000), gefolgt von Geschleppten aus Russland, Pakistan, Somalia und Indien. Gerald Tatzgern, oberster Schlepper-Bekämpfer im Bundeskriminalamt, berichtet aber auch, dass Ende des vergangenen Jahres die Zahl von syrischen Staatsbürgern, die nach Österreich geschleust wurden, stark angestiegen ist. Das hat mit der Eskalation des Bürgerkrieges in dem arabischen Land zu tun. Insgesamt gaben 2011 exakt 364 aufgegriffene Syrer an, von Schleppern nach Österreich gebracht worden zu sein. Der Großteil der 9812 eingeschleusten Personen war zwischen 19 und 30 Jahre alt. Allerdings zählte die Polizei auch 665 Kinder unter sieben Jahren.

2 Woher kommen die Schlepper, und wie arbeiten sie?

Der Exekutive gelingt es in manchen Fällen auch, Schlepper ausfindig zu machen. Knapp 200 Verdächtige wurden 2011 angezeigt. 26 von ihnen stammten aus Griechenland, 24 aus der Türkei und 23 aus Österreich. Schlepper, die der Exekutive in Österreich ins Netz gehen, sind meist „kleine Fische“. Die Köpfe – und somit jene, die das große Geld kassieren – sitzen in Süd- und Osteuropa. Für eine Schleppung aus dem arabischen Raum sind Preise zwischen 10.000 und 15.000 Euro zu bezahlen.

3 Warum ist die griechisch-türkische Grenze so undicht?

„Die Grenze ist topografisch schwer zu überwachen“, erklärt Tatzgern. Der Fluss Evros bildet die Grenze zwischen den beiden Staaten, viele Schlepper benutzen Schlauchboote, um ihre Opfer im Schutz der Dunkelheit nach Griechenland zu bringen. Die EU-Grenzschutzagentur „Frontex“ legt seit 2010 spezielles Augenmerk auf diese Region. Grenzschutzbeamte aus fast allen EU-Staaten versehen dort Dienst, auch Österreicher stehen regelmäßig an der griechisch-türkischen Grenze im Einsatz. Mittlerweile sind die Schlepper auch bewaffnet und schießen auf Polizisten. Der letzte derartige Vorfall ereignete sich Anfang März. Pro Nacht werden knapp 100 illegale Grenzgänger aufgegriffen. Laut Tatzgern versuchen aber bis zu 300 jede Nacht von der Türkei nach Griechenland zu gelangen. Die griechische Polizei sei zwar engagiert, vor allem aber in der Bekämpfung der Hintermänner der kriminellen Schlepperorganisationen überfordert, ist zu hören.

4 Wie kommen die Geschleppten nach Österreich?

Athen hat sich in den vergangenen Jahren als „Umschlagplatz“ für die Schlepper-Kriminalität herauskristallisiert. Dort werden die Opfer meist in Lkw gepfercht, die über Bulgarien, Serbien und Ungarn nach Österreich fahren. Auch Kleinbusse werden für Schleppungen verwendet. Viele Schlepper setzen ihre Opfer auch in Reisezüge. Eine andere Route führt über das Meer nach Italien und auf dem Landweg nach Österreich. Eine „luxuriösere“ und somit auch weitaus teurere Möglichkeit nach Mitteleuropa zu gelangen ist es, mit gefälschten Dokumenten in ein Flugzeug zu steigen. Von Griechenland aus versuchen vor allem Flüchtlinge aus Asien nach Deutschland und Österreich zu gelangen. Russen und Tschetschenen werden über Weißrussland, Polen und Tschechien nach Österreich geschleust. Geschleppte, die – so wie in den 1990er-Jahren üblich – kurz vor der Grenze ausgesetzt werden und sich dann zu Fuß nach Österreich durchschlagen, gibt es laut Tatzgern heute fast keine mehr.

Auf einen Blick

9812 Geschleppte griff die heimische Exekutive im Jahr 2011 in Österreich auf – ein Plus von 47Prozent gegenüber 2010. Die meisten kamen aus Afghanistan, Russland und Pakistan. Die Routen führen von Griechenland entweder über den Balkan oder über Italien nach Österreich. Die meisten Geschleusten wurden in Zügen, Bussen und Lkw geschleppt und reisten über die italienische und ungarische Grenze ein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2012)

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