Österreich: Das "Land der Verliese"

(c) APA (Helmut Fohringer)
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Das Image von Österreich leidet unter dem Inzest-Fall in Amstetten - allerdings nur kurzfristig, glauben Marketing-Experten. Im Urlaub werde man als Österreicher noch oft auf den Fall angesprochen werden.

Der einzigartige Inzest-Fall in Amstetten füllt die Titelseiten rund um den Globus und rückt Österreich in ein zweifelhaftes Licht. "Natürlich tut es dem Image Österreichs nicht sehr gut", sagte Karin Cwrtila vom Österreichischen Institut für Marketing (OGM). "Es schreiben ja alle: Österreich - das 'Land der Verliese'." Bundeskanzler Alfred Gusenbauer kündigte an, rasch gegen die Rufschädigung aufzutreten. "Wir müssen klarstellen, dass es sich um einen einzigartigen Kriminalfall handelt, aber dass es keinen Fall Amstetten und schon gar keinen Fall Österreich gibt."
Langfristig wird sich die Berichterstattung jedoch nicht auf Österreichs Ruf im Ausland auswirken, sind sich Cwrtila und OGM-Chef Wolfgang Bachmayer sicher: Das romantische Bild mit Dirndl-Kleid und Kaiserin Sisi werde am Ende überwiegen. "Das internationale Image Österreichs wird dadurch sicher keinen Schaden nehmen", betonte Bachmayer. Tradition und Gemütlichkeit - diese Vorstellungen über die Alpenrepublik seien sehr gut gefestigt.

Negativ-Image der Schlampigkeit

Hinzu komme möglicherweise allerdings der Image-Aspekt der Schlampigkeit, sprich "laxe Behördenkontrolle", da der Inzest-Fall so lange unentdeckt geblieben sei, betonte Bachmayer.

Von Bedeutung sei auch die Reaktion in Österreich und das Ziehen der richtigen Konsequenzen aus diesem unfassbaren Fall, betonte Bachmayer. Die Aussage "man sei geschockt, aber habe es nicht wissen können", werde nicht ausreichen. "Man kann nur hoffen, dass innenpolitisch die richtigen Schlüsse gezogen werden", meinte der Marketing-Experte. "Ohne Frage ist das gesamte Ereignis ein Hinweis, dass bestimmte Systeme nicht funktionieren, versagt haben." Eine Schlussfolgerung sei dennoch schwierig: "Die Behörde kann nicht überall ihre Augen haben und in jedes Schlafzimmer sehen", so Bachmayer. "Es ist eine Frage der funktionierenden Gesellschaft."

Schock über Inzest im "Happy-Peppi"-Land

Das Interesse des Boulevards sei nun enorm, werde aber bald abebben. Mittel- bzw. langfristig werde Österreich als "Land der Musik" und nicht als "Land der Gewalt" da stehen.Österreich gelte eher als kleines Bergland und "Insel der Seligen" mit einem "Happy-Peppi"-Image. Das Erstaunen, dass so etwas trotz dieses Rufes oder gerade deshalb passieren könne, sei sicher mit ein Grund für den Aufruhr.

Nach dem Wiederauftauchen von Natascha Kampusch habe jeder gedacht, "schlimmer geht es nicht", nun sei es doch so gekommen, so die Marketing-Expertin. Die zeitliche Nähe der beiden Fälle und ihre Einzigartigkeit seien der Grund, warum es derzeit überhaupt zu einem "Imagewandel" komme. Seriöse Medien würden damit allerdings ganz anders umgehen als Sensationsblätter, am Ende werde daher der Aspekt "Es könnte überall passieren und ist ein Zufall" übrig bleiben. Ähnlich argumentiert Bundespräsident Heinz Fischer in einem Interview mit der "Kleinen Zeitung": "Das Monströse, zu dem der Mensch fähig ist, offenbart sich überall."

Legende wie Jack the Ripper

Da das Schicksal der Elisabeth F. ein Einzelfall und kein Dauerereignis sei, könnte es durchaus als Ausnahmebeispiel lange im Gedächtnis der Menschen sein: "Es hat so einen sprichwörtlichen Exempel-Charakter, wie Jack the Ripper in London", erklärte der OGM-Chef Bachmayer. Dieser habe das Image von Großbritannien allerdings ebenfalls nicht beeinträchtigt.

Dies zeige auch das Beispiel Belgien, dass nach dem Fall des Kinderschänders Dutroux nicht als das gesellschaftlich verwahrloste Land gelte, in dem Sitte und Moral nicht mehr existieren würden, so Bachmayer. Den Unterschied zwischen Einzelfall und Dauerereignis zeige besonders deutlich die Mafia, die Italiens Image durchaus geprägt habe.

Fragen im Urlaub

Im Urlaub werde man als Österreicher sicher noch Monate auf den einzigartigen Fall angesprochen, erklärte Karin Cwrtila. Nach etwa einem halben Jahr dürften die Ereignisse dann aber in den Hintergrund treten. Generell hänge dies jedoch auch stark von der weiteren Berichterstattung ab, ob zum Beispiel noch mehr Bilder veröffentlicht würden. Auf die bevorstehende EM seien keine Auswirkungen zu erwarten, diese beiden Ereignisse würden getrennt wahrgenommen.

(APA/Red.)


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