"Jahrhundertprozess" Amstetten: Zuseher verboten?

(c) Reuters (Herwig Prammer)
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Ab 16. März wird der Prozess gegen Josef F. unter gewaltigem Medieninteresse abgehandelt. Das Verfahren wird zum größten Teil unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden.

ST.PÖLTEN. Prozess des Jahrhunderts? Diese – viel kolportierte – Klassifizierung der ab 16.März zur Verhandlung stehenden Strafsache Josef F. ist kühn. In dem noch sehr jungen Jahrhundert kann noch sehr viel passieren. Klar ist: Das Verfahren um den Mann aus Amstetten stellt das Landesgericht St.Pölten vor eine Zerreißprobe. Eine Schere tut sich auf: Das Prozess-Spektakel stößt auf weltweites Interesse. Doch es wird großteils unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden.

Ort des Geschehens ist klarerweise der größte Saal, den das Landesgericht St.Pölten (es ist für den Tatort Amstetten zuständig) aufbieten kann: der Schwurgerichtssaal („Zimmer 119“). Er bietet knapp 100 Sitzplätze. Dementsprechend haben 98 Medienvertreter aus dem In- und Ausland eine Akkreditierung erhalten. Mehr als 100 weitere Journalisten wurden vom Gericht abgewiesen. Mangels Sitzplätzen.

24 Jahre gefangen

Die Idee, die Verhandlung um das Martyrium von Elisabeth F. – sie wurde von Josef F. 24 Jahre in einem Verlies gefangen gehalten und bekam sieben Kinder – in eine Veranstaltungshalle zu verlegen, wurde verworfen. „Durch den Ausschluss der Öffentlichkeit wäre ein Veranstaltungssaal kontraproduktiv“, sagt Gerichtspräsident Kurt Leitzenberger. Und spricht damit den heikelsten Punkt des Monsterprozesses an: Auch die Sieger des (international ausgetragenen) Kampfes um Sitzplätze werden die meiste Zeit „draußen“ – nicht nur vor dem Saal, sondern gar vor dem Gebäude – warten müssen.

Alles kommt auf Richterin Andrea Humer (siehe unten) an. Sie entscheidet über das Ausmaß des allseits erwarteten Ausschlusses der Öffentlichkeit. „Die Öffentlichkeit (...) darf (...) ausgeschlossen werden (...) vor Erörterung des persönlichen Lebens- oder Geheimnisbereiches eines Angeklagten, Opfers, Zeugen oder Dritten“, heißt es im §229 der Strafprozessordnung. Nur die Urteilsverkündung muss allgemein zugänglich sein. Derzeit sieht es so aus, als ob wenigstens der Eröffnungsvortrag der Staatsanwältin, Christiane Burkheiser, und eventuell auch jener des Verteidigers, Rudolf Mayer, vor Publikum stattfinden.

Ob danach wirklich täglich von Montag bis Freitag (Tag der Urteilsverkündung) der Rollbalken heruntergelassen wird, bleibt abzuwarten. Spannend bleibt, wie die Justiz dem Druck von knapp 100 Journalisten standhält, die buchstäblich auf der Straße stehen. Immerhin wird für Medien auf einem Parkplatz neben dem Gericht ein Zelt (plus Würstelstand!) aufgebaut. Dort soll täglich ab 16Uhr eine Presseerklärung abgegeben werden.

Keines der Opfer von Josef F. wird zum Prozess kommen. Diese haben sich schon im Vorfeld einer Aussage entschlagen. Bis auf Elisabeth F. (42). Sie wird aber auch nicht persönlich erscheinen. Ihre Aussage wurde auf DVDs, Gesamtlänge circa elf Stunden, aufgezeichnet. Diese werden den Geschworenen etappenweise vorgespielt.

Dutzende Bewacher für Josef F.

Josef F., die Hauptfigur, wird aus der seit April 2008 dauernden U-Haft vorgeführt. Dutzende Justizwachebeamte, Polizisten und Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes sorgen dabei vor und im Gebäude für Sicherheit. Ausgewählte Fotografen und Kameraleute (APA, ORF) eines eigens gegründeten „Pools“ werden JosefF. vor Verhandlungsbeginn fotografieren/filmen dürfen. Das Bildmaterial wird den Medien zur Verfügung gestellt.

Vom Leiter der Haftanstalt St.Pölten, Günther Mörwald, wird Josef F. als „ruhiger, höflicher, korrekter, sehr angepasster“ U-Häftling beschrieben. Er verbringe die meiste Zeit in seinem Zwölf-Quadratmeter-Haftraum. Diesen teilt er zwar mit einem anderen Insassen, sonst suche der Mann aus Amstetten keine Kontakte zu Mithäftlingen. Spaziergänge im Hof mache er nur sporadisch, an der Freizeitgestaltung beteilige er sich nicht. Das kommt der Anstaltsleitung entgegen, zumal Übergriffe von Mithäftlingen hintanzuhalten sind.

Die Anklage legt Josef F. Mord zur Last. Anfang Mai 1996 habe er seinen an Atemnot leidenden neugeborenen Sohn im Verlies sterben lassen. Weiters habe F. seine Tochter „in eine sklavereiähnliche Lage gebracht“ (§104 Strafgesetzbuch, „Sklavenhandel“). Nächster Anklagepunkt: Vergewaltigung „in einer Vielzahl von Tatangriffen“. Und: Freiheitsentziehung, schwere Nötigung, Blutschande. Die Staatsanwältin will eine Bestrafung plus Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Laut Verteidigung bekennt sich F. teilweise schuldig. Mit Mord wolle er nichts zu tun haben.

DIE RICHTERIN

Andrea Humer. Um ihren nächsten „Job“ wird sie von ihren Richterkollegen nicht gerade beneidet. Während zwischen 16.und 20. März der sonstige Betrieb im Landesgericht St. Pölten auf ein absolutes Minimum reduziert wird, führt Andrea Humer den Vorsitz im Geschworenenprozess gegen Josef F. Die Sexualstrafrechts-Expertin ist seit 1998 im Landesgericht tätig. Geht es nach ihr, soll über ihr Privatleben möglichst wenig bekannt werden. Denn: „Ich will weiter unerkannt Kipferln kaufen können.“ [APA/Ernst Weiss]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2009)

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