Rauchverbot: Kein Kläger, kein Richter, kein Tabakgesetz

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In vielen kleineren Lokalen und Cafés wird trotz Tabakgesetzes weiterhin geraucht, weil die Wirte Angst vor Umsatzeinbußen haben. Und aus Solidarität zeigen die Stammgäste ihren Wirt meist nicht an.

Wien. „Ich habe ein Nichtraucherlokal“, sagt Rosemarie Gutmann, „aber wenn jemand rauchen will, werde ich ihn nicht zurechtweisen.“ Gutmann ist ihren rauchenden Gästen gegenüber kulant. Muss sie sein, sagt sie, sonst hätte sie 70 Prozent weniger Umsatz. Ihre Gäste danken es ihr, indem sie weiterhin das Lokal aufsuchen – und indem sie Gutmann nicht anzeigen. Eine Symbiose zwischen Wirt und rauchendem Stammgast, die im neuen Tabakgesetz eigentlich nicht vorgesehen ist.

Denn laut neuem Gesetz, das seit 1.Juli 2010 gilt, müsste Gutmanns Café Kaisergarten in Wien Neubau ein Nichtraucherlokal sein: Das Café ist 75 Quadratmeter groß. Und Lokale ab 50 Quadratmetern müssen einen abgetrennten Nichtraucherbereich haben oder als Nichtraucherlokal geführt werden. Baulich sei eine Abtrennung allerdings nicht möglich, weil mitten im Raum Stufen sind, sagt Gutmann. Die endgültige Entscheidung darüber liegt noch bei der Baupolizei.

„Da setzt sich kein Mensch rein“

Ob nun gebaut wird oder nicht: Gutmann ist nicht die einzige Wirtin, bei der das neue Tabakgesetz – aus Angst vor Umsatzeinbußen – noch nicht angekommen ist. Jenseits alteingesessener Cafés in der Stadt, die kaum Probleme mit dem neuen Gesetz haben („Die Presse“ berichtete), hadern gerade kleine Lokale, die vor allem von der Nachbarschaft leben, noch damit.

„Das ist das große Problem in der Branche“, sagt Berndt Querfeld, Spartenobmann der Kaffeehäuser in der Wirtschaftskammer Wien: „die vielen kleinen Lokale und Espressi, die eine Versorgungsfunktion haben“. Gerade dort würden 95 Prozent der Gäste rauchen, schätzt Querfeld. „Diese Wirte jammern enorm. Wenn sie ein Nichtraucherlokal führen, setzt sich kein Mensch rein.“

Darüber hinaus taucht regelmäßig das Gerücht auf, dass ohnehin ein generelles Rauchverbot komme – die Tabakgesetze sind zwar Ländersache, aber die EU könnte aus arbeitsrechtlichen Gründen ein allgemeines Rauchverbot verhängen. Dass es Schritte in diese Richtung gibt, wird von Österreich und der EU zwar dementiert. Die Wirte indessen, die Geld investiert und ihre Lokale gesetzeskonform ausgebaut haben, blicken besorgt nach Spanien.

Strenge in Spanien

Das spanische Tabakgesetz aus dem Jahr 2006 war zunächst ebenfalls eine Kompromisslösung zwischen Gastwirten und Gesundheitsministerium. Lokale unter 100 Quadratmetern waren vom Rauchverbot ausgenommen, und die Wirte konnten entscheiden, ob sie ein Raucher- oder Nichtraucherlokal führen wollen.

Weil dieses Gesetz nicht ernst genommen wurde, gilt ab heuer – nachdem ein Jahr lang diskutiert wurde – ein generelles Rauchverbot. Ein recht strenges sogar: Nicht nur auf Kinderspielplätzen, vor Schulen, in und vor Krankenhäusern oder auf Bahnhöfen darf nicht geraucht werden, sondern auch in Lokalen, Diskotheken und Casinos.

Wie viele Lokale in Österreich das Rauchverbot letztlich umgehen, lässt sich schwer abschätzen. Von den 11.000 betroffenen Lokalen werden zumindest rund 30Prozent als Nichtraucherlokale geführt. Kontrolliert wird nicht. Nur wenn die Gäste Anzeige erstatten, rücken die Bezirksämter aus. Zwar ist die große Anzeigenflut nach Einführung des Tabakgesetzes ausgeblieben, bei Einzelfällen ist es aber ebenso wenig geblieben: Allein im vergangenen November gab es in Wien 212 Anzeigen.

Zwei Quadratmeter zu viel

Mit einer Anzeige muss auch der Wirt eines Cafés in Wien Margareten jederzeit rechnen – denn in seinem Lokal wird geraucht, obwohl am Eingang ein Nichtraucherpickerl angebracht ist.

Das Lokal des Wirtes, der seinen Namen nicht in der Zeitung sehen will, hat einen Raum – und der ist 52 Quadratmeter groß. Eine bauliche Trennung gehe nicht, da die Theke mitten im Raum steht, so der Wirt. Um die überschüssigen zwei Quadratmeter zu kaschieren, wollte der Wirt sogar eine Ecke zubauen. Das habe aber nicht funktioniert, weil dort der Gaszähler angebracht sei. Daher lässt er seine Gäste weiterhin rauchen. Angezeigt hat ihn bisher niemand – seine Stammgäste würden das ja ohnehin nicht machen. „Wenn ich wirklich das Rauchen verbiete“, so der Wirt, „kann ich sofort zusperren, so schnell können Sie gar nicht schauen.“

Auf einen Blick

Totes Recht? Rund ein halbes Jahr nach Einführung des neuen Tabakgesetzes gibt es nach wie vor viele Lokale, die das Gesetz ignorieren. Die Wirte befürchten massive Umsatzeinbußen, wenn sie auf ein Nichtraucherlokal umstellen.

Generelles Rauchverbot. Viele befürchten die Einführung eines generellen Rauchverbotes. Jene Wirte, die bereits umgebaut haben, blicken besorgt nach Spanien. Dort galt bisher eine Kompromisslösung, seit heuer herrscht generelles strenges Rauchverbot.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2011)


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