Schönborn: "Christentum wird zu Fremdkörper in Europa"

Archivbild - Kardinal Christoph Schönborn
Archivbild - Kardinal Christoph Schönborn(c) AP (Ronald Zak)
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Der Kardinal wünsche sich eine genauso intensive Abtreibungsdiskussion wie jene zum Thema Beschneidung, sagte er bei einer Rede in Berlin.

Das Christentum würde immer mehr zum Fremdkörper in Europa, verdeutlichte der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, am gestrigen Mittwochabend in seiner Rede beim Michaelsempfang in der deutschen Hauptstadt Berlin, bei dem auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie die Regierungsmitglieder Annette Schavan und Wolfgang Schäuble (alle CDU) dabei waren. "Zunehmend empfinden sich Christen, die ihr Christentum ernstnehmen, marginalisiert. Ja zum Teil sogar diskriminiert", warnte der Erzbischof.

An den Beispielen Abtreibung, Euthanasie und Embryonenforschung zeichnete Schönborn ein Bild, wie die Bedeutung der Religion abnehme. Gleichzeitig würden religiöse Menschen immer mehr zum Außenseiter gemacht. So zitierte Schönborn den ehemaligen österreichischen Bundeskanzler Bruno Kreisky, der in einem Fernsehinterview zur Fristenlösung gesagt haben soll: "Ich kann mir vorstellen, dass sehr, sehr religiöse Menschen damit Schwierigkeiten haben können." Schönborn: "Das klang so, als wären diese Menschen sehr, sehr seltsam." Religiös würde in der öffentlichen Debatte immer mehr als rückständig, nicht auf der Höhe der Zeit und als Minderheit gelten.

Körperliche Integrität betrifft auch Abtreibung

Auch zur Beschneidungsdebatte nahm der Kardinal Stellung: In der säkularen Gesellschaft hätte das Menschenrecht auf körperliche Integrität eine größere Bedeutung als die Religionsfreiheit. "Man wünschte sich, dass das Recht auf körperliche Integrität des zur Abtreibung freigegebenen Ungeborenen mit ebensolcher Vehemenz verteidigt würde wie das Recht, über das Haben oder Nichthaben der Vorhaut selber entscheiden zu können."

Dem Christentum habe es trotz des Bedeutungsverlustes gut getan, "dass es durch das Feuer der Kritik von Aufklärung und Säkularismus gehen musste", sagte Schönborn. Zugleich erklärte der Wiener Erzbischof, in so mancher säkularen Kritik am Christentum sei "auch ein Stück Sehnsucht verborgen, es möge doch so etwas wie ein authentisches, gelebtes Christentum geben".

"tragfähige Wurzeln Europas"

Und Schönborn fügte optimistisch hinzu: "Insgeheim wissen wir wohl, ob säkular oder gläubig, dass hier die tragfähigen Wurzeln Europas liegen." Viele Christen, "ob Gläubige oder Amtsträger, schwanken zwischen Anpassung und Abgrenzung", so Schönborn weiter. Benedikt XVI. ermutige die Christen heute zu einem positiven Verhältnis zur säkularen Gesellschaft - freilich nicht im Sinne der Anpassung, wie der Wiener Erzbischof hinzufügte. Vielmehr sollten die Christen in aller Freiheit in einer pluralistischen Gesellschaft "das Eigene einbringen".

Gerade in Staaten wie Deutschland oder Österreich, die ein stark kooperatives Verhältnis zu den Kirchen hätten, sei "die Versuchung groß, mehr auf die eigene kirchliche Institution und Organisation zu schauen, als auf die ursprüngliche Berufung des Christen in der Welt", räumte Schönborn ein.

(APA/Red.)

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