Vatikan: Bis weißer Rauch aufsteigt, regieren die Kardinäle

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Zwischen dem Ende eines Pontifikats und der Wahl eines neuen Papstes dürfen keine weitreichenden Entscheidungen getroffen werden. Die Wahl im Konklave läuft nach einer penibel festgelegten Prozedur ab.

Als Papst Clemens IV. im Jahre des Herrn 1268 das Zeitliche segnete, war er nicht einmal vier Jahre lang auf dem Stuhle Petri gesessen. Doch fast so lange sollte die mit seinem Tode einsetzende Sedisvakanz dauern. Denn die Kardinäle, die im italienischen Viterbo – im dreizehnten Jahrhundert vorübergehend Sitz der Päpste – zusammengekommen waren, konnten sich einfach auf keinen Nachfolger einigen. Nach 18 Monaten begann die Bevölkerung, sanften Druck auf die Purpurträger auszuüben: Man sperrte sie bei Wasser und Brot im örtlichen Palast ein. Als auch das nichts half, deckten sie in einem unfreundlichen Akt das Dach ab, um die Kardinäle Wind und Wetter auszusetzen.

Letztendlich dauerte es drei Jahre, bis mit Gregor X. ein neuer Oberhirte für die katholische Kirche gewählt war – und dieser zog die Konsequenz aus dem Wahldebakel. Er änderte das Wahlrecht. Dieses wurde über die folgenden Jahrhunderte immer weiter modifiziert – zuletzt von Papst Johannes Paul II. im Jahre 1996. Waren auch lange nach der Reform durch Gregor X. mehrmonatige Wahlprozeduren durchaus üblich, so dauerten die letzten neun Konklaven nur zwischen zwei und fünf Tagen. Josef Ratzinger wurde 2005 bereits am zweiten Tag gewählt.

Normalerweise setzt eine Sedisvakanz mit dem Tod eines Papstes ein. Diesmal ist es aber sozusagen eine Vakanz mit Ansage, denn Datum und Uhrzeit ihres Beginns stehen seit der gestrigen Ankündigung Benedikts XVI. fest: Schlag 20:00 am 28.Februar 2013 geht die Führung der katholischen Kirche von einer Einzelperson, dem bisherigen Papst, auf das gesamte Kollegium der Kardinäle über. De facto ist deren Macht freilich ziemlich eingeschränkt: Ihnen obliegt es neben der Führung der alltäglichen Geschäfte vor allem, die Vorbereitungen für die Wahl eines neuen Papstes zu treffen. Wegweisende Entscheidungen, etwa gar „Korrekturen“ am Kurs des zu Ende gegangenen Pontifikats, sind ihnen ausdrücklich nicht erlaubt: „Sede vacante nihil innovetur“, lautet das Prinzip: Während der Stuhl vakant ist, soll es keine Neuerungen geben. Nur unaufschiebbare Beschlüsse sollen gefasst werden.

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Derzeit sind 117 Kardinäle wahlberechtigt

Eine Schlüsselrolle spielt in diesen Tagen der Camerlengo, der Kardinal-Kämmerer. Seit April 2007 wird diese Funktion von Tarcisio Kardinal Bertone ausgefüllt, der gleichzeitig als Kardinalstaatssekretär amtiert, quasi der Regierungschef des Vatikans. Der Camerlengo leitet die täglichen Sitzungen der sogenannten Generalkongregation der Kardinäle. Dieses Gremium besteht zwingend aus jenen Kardinälen, die später im sogenannten Konklave den neuen Papst wählen, also allen, die jünger als 80 Jahre sind. Das sind derzeit 117 Kardinäle. Für diejenigen, die diese Altersgrenze bereits überschritten haben, ist eine Teilnahme nicht verpflichtend.

Die Zeit bis zum Konklave ist freilich auch von Taktieren geprägt: Auch wenn es keine offiziellen Bewerbungen gibt, versuchen sich potenzielle Nachfolger freilich in Stellung zu bringen, beziehungsweise auf sich aufmerksam zu machen. Theoretisch kann zwar jeder männliche, unverheiratete Katholik, der bei geistiger Gesundheit ist, zum Papst gewählt werden, praktisch wird es aber auch diesmal wieder ein Mitglied des Wahlgremiums sein, also ein Kardinal. Regelrechte Absprachen sind offiziell genauso verboten wie Bestechung. Johannes Paul II. verfügte, dass sich bestechliche Kardinäle die Exkommunikation zuziehen, die Wahl aber deshalb nicht ungültig wird.

Oberstes Gebot ist die Verschwiegenheit

Wahlleiter ist der ranghöchste Purpurträger im Vatikan, das wäre theoretisch Kardinaldekan Angelo Sodano. Da aber sowohl er als auch sein Stellvertreter Roger Etchegaray das Alterslimit von 80 Jahren bereits überschritten haben, kommt diesmal mit Giovanni Battista Re die Nummer drei in der Hierarchie zum Zuge. Das Konklave soll noch vor Ostern stattfinden. 2005 war Josef Ratzinger Kardinaldekan und damit Leiter jener Wahl, die ihn zum Papst kürte.

Das Konklave selbst – ein rares Festspiel demokratischer Prozeduren im Vatikan – schnurrt dann nach peniblen Vorschriften ab, die das Wahlprozedere bis ins letzte Detail regeln. Das erste und wichtigste Gebot: absolute Verschwiegenheit. Wer dagegen verstößt, dem droht schlimmstenfalls die Exkommunikation. Die Kardinäle müssen in einem Eid schwören, „Geheimhaltung über alles zu wahren, was in irgendeiner Weise die Wahl des Papstes betrifft, und was am Wahlort geschieht“. Doch nicht nur sie werden vereidigt. Auch alle Personen, die in dieser sensiblen Zeit mit ihnen zu tun haben, wird dieses Versprechen abgenommen, vom Küchenpersonal über die in Bereitschaft stehenden Ärzte bis zu den Fahrern der mit abgedunkelten Scheiben versehenen Busse, die die Kardinäle von ihrer Unterkunft im Vatikan zur Sixtinischen Kapelle chauffieren. Dort findet die Wahl statt. Da der technische Fortschritt seit dem vorletzten Konklave 1978 ein beträchtlicher war, hat man beim bisher letzten im Jahr 2005 die Sixtina akribisch auf Wanzen und andere technische Abhörgeräte untersucht.

Nach einem ersten Gottesdienst befiehlt der vatikanische Zeremonienmeister – seit 2007 der Italiener Guido Marini – dann barsch „extra omnes“, also „alle raus hier“. Ab diesem Moment dürfen sich nur mehr jene Personen in der Sixtina aufhalten, die direkt in die Wahl involviert sind. Die wahlberechtigten Kardinäle erhalten Stimmzettel, auf denen die Worte „Eligo Summum Ponteficem“ – „Ich wähle zum obersten Brückenbauer“ – vorgedruckt sind. Darauf hat jeder Kardinal in, wie es heißt, verstellter, aber gut lesbarer Schrift den Namen seines Favoriten zu schreiben. Eine Stimmenthaltung ist nicht vorgesehen.

Kommunikation via Rauchzeichen

Strikt nach Hierarchie treten sie dann einzeln an die Wahlurne, die mit einem Teller verschlossen ist. Mit den Worten „Ich rufe Christus, der mein Richter sein wird, zum Zeugen an, dass ich den gewählt habe, von dem ich glaube, dass er nach Gottes Willen gewählt werden sollte“, legen sie ihren Stimmzettel zunächst auf den Teller. Von diesem wird er dann weiter in die Urne befördert. Haben alle Kardinäle ihre Pflicht getan, wird noch nicht ausgezählt, sondern zunächst nur gezählt. Stimmt die Zahl der Stimmzettel nicht exakt mit der Zahl der an der Abstimmung beteiligten Kardinäle überein, gilt der Wahlgang als ungültig und das Material muss sofort durch Verbrennen vernichtet werden.

Das Verbrennen der Stimmzettel ist einer der zentralen Akte der Wahlprozedur – und die Rauchzeichen aus der Sixtinischen Kapelle sind das einzige Kommunikationsmittel der Kardinäle mit der Außenwelt. Zu diesem Behufe wird ein Ofen in die Sixtina gebracht, schon Tage vor Beginn des Konklaves bringen Arbeiter einen speziellen Rauchfang an der Außenmauer der Kapelle an. Steigt schwarzer Rauch auf, bedeutet dies, dass sich die Kardinäle noch nicht mit Zweidrittelmehrheit auf einen neuen Oberhirten einigen konnten, zieht hingegen weißer Rauch gen Himmel, dann gibt es einen neuen Papst. Früher erreichte man die Färbung durch Verwendung von nassem beziehungsweise trockenem Stroh, heute greift man auf Chemikalien zurück, mit durchwachsenem Erfolg: Als sich bei einem der Wahlgänge des Konklaves 2005 zunächst grauer Rauch zeigte, konnte CNN nicht mehr tun, als die Ratlosigkeit der Zuseher in Worte zu fassen, und zu beschreiben, was ohnehin jeder sah: „Rauch steigt auf – Farbe unklar.“

Wie viele Wahlgänge es an welchem Tag gibt, ist genau festgelegt. Nach drei Tagen ohne Resultat gönnt das Kirchenrecht den Kardinälen einen Tag Pause, dann geht es weiter. Nach 34 erfolglosen Wahlgängen gibt es eine Stichwahl zwischen den Kandidaten mit den meisten Stimmen, auch hier mit Zweidrittelmehrheit. Bevor der weiße Rauch aufsteigen kann, muss der Sieger die Wahl freilich akzeptieren. Dann legt er das feierliche Gewand an, das, verfertigt von der Schneiderei Gamarelli, in drei Größen bereitliegt. Für Johannes XXIII. war trotzdem nichts Passendes dabei. Bevor er 1958 vor das Kirchenvolk treten konnte, musste erst eine Naht aufgetrennt werden, damit er in das Ornat passte. Der neue Papst wird dann vom dienstältesten Kardinaldiakon auf der Loggia des Petersdomes mit den Worten „Habemus Papam“ präsentiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2013)

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