Benedikt XVI. Der emeritierte Papst wird sich im Ausgedinge dem Gebet, dem Studium und theologischen Schriften widmen. Der bald 86-Jährige kündigte glaubhaft an, keinen Einfluss auf seinen Nachfolger zu nehmen. Für einen Papst-Pensionär gibt es in der Neuzeit keinen Präzedenzfall.
Das Letzte, was die Welt von Benedikt XVI. vorläufig zu sehen bekam, war sein gelassener Abschied vom Papstamt, als er in weißer Soutane, weißem Mantel und weißem Hubschrauber davonschwebte – von Rom nach Castel Gandolfo, der geliebten Sommerresidenz am Albaner See. Seit seinem Rückzug ins päpstliche Refugium in den Abendstunden des 28. Februar hat die Öffentlichkeit kein Bild des emeritierten Papstes erhascht und kein Wort vernommen.
Eine Abkehr von der Welt, eine Hinwendung zu seinen spirituellen Wurzeln und seiner Arbeit als Theologe und Autor: Der bald 86-Jährige hat seine letzten Lebensjahre nach dem benediktinischen Prinzip „Ora et labora“ („Bete und arbeite“) konzipiert. In der Abgeschiedenheit von Castel Gandolfo wartet er das Interregnum und die ersten Wochen des neuen Pontifex ab – solange, bis das einstige Nonnenkloster Mater Ecclesiae in den Gärten des Vatikan als Ausgedinge bezugsfertig ist.
Bis zum November haben sieben Nonnen des Salesianerinnen-Ordens darin gewohnt, und ihr Auszug hätte im Vatikan manchem zu denken geben können. In die Rücktrittspläne Benedikts war indes nur der innerste Zirkel des Papstes eingeweiht. Zwölf Zimmer umfasst das Gartenhäuschen, eher spartanische Kemenaten, die dem 89-jährigen Ratzinger-Bruder Georg und dem persönlichen Sekretär Georg Gänswein Platz bieten sollen. Die Bibliothek muss noch erweitert werden, als Rente bleiben dem Papst 2500 Euro.
Präferenz für Scola
Gänswein, der „George Clooney des Vatikan“, von Benedikt in bewährter Manier noch zum Erzbischof befördert, hat auch als einer der letzten vor dem Konklave die Sixtinische Kapelle verlassen, was sogleich Anlass gab für Spekulationen. Hat Benedikt noch eine Botschaft überbringen lassen?
Während seines Pontifikats ließ Ratzinger eine Präferenz für den Mailänder Kardinal Angelo Scola erkennen. Nach der Ankündigung seiner Demissionierung ließ Benedikt via seinen Sprecher Federico Lombardi jedoch durchaus glaubhaft versichern, in keinerlei Art und Weise Einfluss auf seinen Nachfolger nehmen zu wollen. Dass der Emeritus dem neuen Pontifex mit seinem Rat zur Seite stehen würde, sollte er ihn konsultieren, liegt in der Natur der Sache.
Der Schweizer Theologe Hans Küng, ein Ratzinger-Rivale, sprach indes von einem „Schattenpapst“, der im Hintergrund seine Geltung spielen lassen könnte. Andere malten gar ein Schisma an die Wand, eine Kirchenspaltung wie im Spätmittelalter der „Gegenpäpste“ in Avignon. Seit 700 Jahren gibt es keinen Präzedenzfall für einen Papst im Ruhestand, und so ist nicht einmal gewiss, ob Benedikt der Inauguration seines Nachfolger beiwohnt.
("Die Presse" Printausgabe vom 14.3.2013)