Rund 20 Jesuiten leben in der Wiener Innenstadt, 86 Jesuiten-Padres gibt es in ganz Österreich. Zuletzt ist der Orden geschrumpft.
Wien/Cim. Er darf sich rühmen, der Erste gewesen zu sein. Der Erste, der den „neuen Papst“ im Hochgebet nannte – ohne noch dessen Namen nennen zu können. Hans Tschiggerl, der Missionsprokurator der Wiener Jesuiten, erzählt: Als während der Messe an diesem historischen 13. März die nahe Pummerin zu läuten begann, kam der Mesner und flüsterte ihm die Nachricht vom weißen Rauch in Rom zu.
Noch größer war die Überraschung, als er erfuhr, der Papst sei Jesuit, ein Ordensbruder. Vor allem, weil Jesuiten selten in der Hierarchie aufsteigen. „Unsere Schwerpunkte sind Sendung, Glaube und Gerechtigkeit“, sagt Tschiggerl.
86 Jesuiten leben derzeit in Österreich. Die Zahl ist zuletzt gesunken. Vor wenigen Jahrzehnten waren es noch 150 bis 180 Jesuiten. Heute sind viele Padres alt, pro Jahr treten ein oder zwei Novizen in den Orden ein. Während Jesuiten in Ländern des Südens „boomen“, wie Tschiggerl sagt, spricht er in Österreich von einem „Redimensionieren“ – die Jesuiten müssen ihre Arbeit heute auf Innsbruck, Graz, Wien und Linz beschränken.
Unscheinbar – schließlich tragen sie gewöhnliche Alltagskleidung – leben 20 Jesuiten mitten in Wien – am Ignaz-Seipel-Platz, unmittelbar neben der Jesuitenkirche. „Aber es ist kein Kloster, wir leben in Gemeinschaften, in Kommunitäten“, sagt Tschiggerl.
Das Gebäude gehört dem Orden aber nicht mehr, ebenso wenig wie der Gebäudekomplex der Alten Universität (heute Sitz der Akademie der Wissenschaften). Der wurde zwar von Jesuiten gegründet, als der Orden 1773 aufgehoben wurde, fielen alle Besitztümer dem Staat zu. Als Pius VII. den Orden wieder zuließ, war dieser zu klein, um die Gebäude zurückzunehmen, also leben die Padres heute in Miete. In der Bäckerstraße gehört dem Orden noch eine Immobilie, dort leben ebenfalls Padres. In jenem Haus, in dem Jesuiten-Pater Georg Sporschill einst das Sozialprojekt/Lokal Inigo gegründet hat, das heute die Caritas führt. Die Wiener Jesuiten betreuen auch die Jesuitenkirche, arbeiten in der Seelsorge oder organisieren in der Jesuitenmission internationale Sozialprojekte. Zwölf Wiener Jesuiten leben in Lainz, führen die dortige Pfarre und gemeinsam mit der Caritas das Bildungszentrum „Kardinal König Haus“. Eigene Jesuitenschulen gibt es nicht mehr. Die Trägerschaft des Kollegiums Kalksburg wurde 1993 abgegeben, heute unterrichtet dort ein Mitbruder. Auch das Linzer Aloisianum wird von Jesuiten nur noch als Seelsorger betreut. In Linz führt der Orden die Ignatiuskirche.
In Graz sind die Brüder in der Katholischen Hochschulgemeinde, in der Gefangenen- und Psychiatrieseelsorge aktiv. Die größte Kommunität aber wird in Innsbruck gebildet, die dortige theologische Fakultät ist traditionell jesuitisch geprägt. In Innsbruck bilden Jesuiten in ihrem Canisianum auch Priester aus.
Ob die Wiener Jesuiten nun mit einer Aufwertung durch Papst Franziskus rechnen? „Nein“, sagt Tschiggerl. Schließlich herrsche zwischen Papst und dem Orden traditionell eine Distanz, eine „gesunde, positive Spannung“, diese werde bleiben, vermutet er. Die große Änderung, die große Überraschung für ihn, das sei bloß das plötzliche Interesse an dem Orden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2013)