Deutschland: Kein Standesamt, trotzdem kirchliche Hochzeit

(c) (Fabry Clemens)
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Nach einer weitgehend unbemerkten Gesetzesänderung dürfen Paare in Zukunft kirchlich heiraten, ohne zuvor am Standesamt den Bund der Ehe geschlossen zu haben. Allerdings: Vom Staat wird die Ehe nicht anerkannt.

In Deutschland sind künftig kirchliche Hochzeiten ganz ohne Trauung beim Standesamt möglich. Das ergibt sich nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" (Donnerstag) aus einer von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkten Änderung des Rechts der Eheschließung, die am 1. Jänner 2009 in Kraft tritt. Die Neuregelung ist Bestandteil des gänzlich neu gestalteten Personenstandsgesetzes.Dem Berichts des Blattes zufolge weist der Regensburger Familienrechtsexperte Prof. Dieter Schwab auf weitreichende Folgen hin: "Ein Paar, das sich kirchlich, aber nicht standesamtlich trauen lässt, befindet sich in einer Ehe, die vom staatlichen Recht als nichteheliche Gemeinschaft angesehen wird - mit allen Konsequenzen." Dies bedeute: kein Unterhalt, kein Erbrecht, keine Schutzvorschriften für den Schwächeren beim Scheitern der Ehe, auch kein Zugewinnausgleich.

Schwab hält es "für äußerst bedenklich", wenn die Nur-Kirchen-Ehe gewählt werde, um das Risiko des Scheiterns dieser Ehe vermögensrechtlich auf den schwächeren Partner abzuwälzen. Deshalb sei auf jeden Fall eine gründliche juristische Aufklärung nötig. Die bisherige Bestimmung, dass die standesamtliche einer kirchlichen Hochzeit vorausgehen muss, geht dem Bericht zufolge auf die entsprechende Regel des Deutschen Reichs aus dem Jahr 1875 zurück. Bei Zuwiderhandlung habe Priestern lange Zeit eine Bestrafung gedroht, zuletzt sei die "kirchliche Voraustrauung" in Deutschland aber nur noch eine Ordnungswidrigkeit ohne Sanktion gewesen.

Die Neuregelung, die nun nicht nur kirchliche Voraustrauung, sondern auch eine Nur-Kirchen-Ehe ermöglicht, blieb dem Bericht des Blattes zufolge lange unbemerkt, weil sie im vergangenen Jahr zu später Stunde im Bundestag beschlossen worden sei und die Reden dazu nur zu Protokoll gegeben wurden.

In Österreich seien Nur-Kirchen-Ehen schon länger möglich. Wegen der Nachteile für den wirtschaftlich schwächeren Partner habe die Kirche dort aber angeordnet, dass rein kirchliche Ehen nur mit Erlaubnis des Bischofs geschlossen werden dürfen.

(APA)

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