Ein Papst reist nach Südtirol und findet zu sich selbst

(c) AP (Antonio Calanni)
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Benedikt XVI. wohnt im Priesterseminar von Brixen – und schaut sich die Berge lieber von unten an.

Rom. Im seinem vierten Sommerurlaub als Papst ist Joseph Ratzinger endlich bei sich selbst angekommen. Vorbei die Zeit, in der er sich gedrängt fühlte, seinen Vorgänger nachzuahmen, wie Karol Wojtyla durch die Berge zu wandern und sich medienwirksam vor malerischen Gipfelkulissen ablichten zu lassen.

Benedikt XVI. vermeidet diesmal auch die kleinen Chalets, die sich Johannes Paul II. ausgesucht hat; er urlaubt vielmehr dort, wo er als „privater“ Theologe und Kardinal selbst schon mindestens zehnmal war: in Südtirol, im Priesterseminar von Brixen.

Bereits in den vergangenen Wochen hatte Benedikt in gehäufter, auffälliger Weise neue Wege beschritten. Die Messgewänder und die Bischofsmitren, die er nun anzieht, entstammen nicht mehr moderner Schneiderei: Benedikt liebt ein „hoch-päpstliches“ Erscheinungsbild, wie man es aus den Schwarzweiß-Aufnahmen von Pius XII. (1939-58) kennt; unlängst hat er ausdrücklich sogar ein Messgewand des Medici-Papstes Leo X. (1513-21) angelegt – jenes Oberhirten also, der den rebellischen Augustiner-Mönch Martin Luther exkommunizierte.

Neue, aber alte Wege

Und nicht nur das: Auch den modernen, silbernen Bischofsstab, den sich Paul VI. nach den Kirchenreformen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) hatte machen lassen und den auch Johannes Paul II. trug, hat Benedikt XVI. abgelegt. Stattdessen holte er die „Ferula“ von Pius IX. (1846-78) aus dem Fundus. Pius IX. war jener Papst, der das Dogma der Unfehlbarkeit durchsetzte und mit seiner „Sammlung der Irrtümer“ scharf gegen die Modernisierung der Gesellschaft und den „Liberalismus“ vorging. Der Vatikan begründet Benedikts Rückgriff auf solche Traditionen ausdrücklich mit der „Notwendigkeit eines geordneten Voranschreitens im Lauf der Geschichte“ – gerade so, als hätten der Konzilspapst Paul VI., dessen Bischofsstab nun verschwinden musste, und danach Johannes Paul II. einen Bruch der Tradition angestrebt.

Zaun schützt vor Paparazzi

In Brixen nun trifft Benedikt XVI. auf einen Barock, wie er ihn aus seinen bayerischen Kindertagen kennt und liebt, auf eine alpenländische Blasmusik- und Schützen-Folklore, die ihm aus der Heimat wohlvertraut ist. Dazu kommt natürlich eine typisch deutsche Südtirol-Sentimentalität. In Brixen, wie er es früher schon häufig gesagt hat, fühlt Ratzinger sich zu Hause. Bleiben wird er zwei Wochen lang.

Wobei: Viel sehen wird er von der Stadt nicht. Erstens, weil ein Papst auch „zu Hause“ nicht mehr so einfach durch Straßen und Lauben wandeln und im Café direkt neben dem Priesterseminar mal schnell was Süßes essen kann. Zweitens, weil das barocke Priesterseminar zur Abwehr von Paparazzi mit einem drei Meter hohen Sichtschutz-Gewebe umzäunt wurde.

Aber Ratzinger – no sports! – bleibt ohnehin lieber in der guten Stube. Da warten seine Bücher. Da warten, so sagt jedenfalls Vatikansprecher Federico Lombardi, eine Sozial-Enzyklika und der zweite Band seines Jesus-Buchs auf Fertigstellung. Da warten die schwarze Katze Milly (auch sie kennt den prominenten Urlauber schon länger) und das Klavier, das sich Benedikt eigens für sich und seinen Bruder Georg, der am Dienstag in Brixen ankam, ins 60-Quadratmeter-Appartement hat schieben lassen.

Nein zu Bergtouren

Da wartet sonst aber niemand; Da gibt's keine bemühten Bergführer, die mit dem Papst die Gipfel erstürmen wollen, keine Audienzen, und die Papst-Touristen werden Benedikt nur an den kommenden zwei Sonntagen jeweils für ein kurzes Mittagsgebet zu sehen bekommen. Drumherum hat der Papst seine Ruhe. Genau das wollte er auch.

WISSEN

Päpstliche Erholung. Die ersten drei Sommerurlaube als Papst verreiste Benedikt XVI. auf den Spuren seines Vorgängers Johannes Paul II.: 2005 und 2006 wohnte er sogar im selben
Chalet wie Johannes Paul in
Les Combes im Aosta-Tal. 2007 fuhr Benedikt nach Lorenzago di Cadore in Venetien. Mit seiner Reise nach Brixen in Südtirol kehrt Benedikt an einen Ort zurück, den er kennt. Seine Großmutter mütterlicherseits wurde 1855 in Raas bei Brixen geboren. Bei seinem zehnten Brixen-Aufenthalt leistet ihm sein Bruder Georg Gesellschaft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2008)

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