Der Beitrags-Stopp beschneidet die Haupteinnahme-Quelle der Kirche: Als Druckmittel auf die Kirchenleitung wird er vom progressiven wie vom konservativen Flügel der Katholiken genutzt.
LINZ/WIEN. Ferdinand Kaineder sitzt vor einem Stapel Papier, so dick wie das Telefonbuch einer Kleinstadt. Es sind knapp 400 E-Mails, die seit vergangener Woche beim Pressesprecher der Diözese Linz eingelangt sind: Auch Gratulationen zum neuen Weihbischof Gerhard Maria Wagner sind darunter. Aber der weit überwiegende Teil der Absender, sagt Kaineder, würde „Irritation und Ärger“ über die Ernennung Gerhard Maria Wagners formulieren.
Von „Überflutung“ in ähnlichem Zusammenhang spricht auch Hans Peter Hurka von der progressiven Plattform „Wir sind Kirche“: Auf der Homepage der Organisation können sich Unzufriedene für die Teilnahme am Kirchenbeitragsboykott anmelden, zu dem Hurka am Mittwoch offiziell aufrief. Die Ernennung Wagners und die Turbulenzen rund um die Rehabilitierung der Pius-Bruderschaft sind der Motor der Aktion: „Wir gehen unter in Zuspruch“, es sei so viel los, dass er bis gestern noch nicht einmal dazu kam, die E-Mails zu zählen. Hurka schätzt sie auf einige hundert, „die meisten aus Oberösterreich, aber auch aus anderen Bundesländern.“
Die Idee, über die Beiträge Druck auf die Kirchenleitung auszuüben, ist nicht neu. Allerdings ist der Boykott aus ideologischen Gründen prinzipiell nicht möglich. Theoretisch könnte die Kirche klagen, was aber so gut wie nie vorkommt. Den Anhängern der Pius-Bruderschaft etwa, die den Beitrag an die Traditionalisten überweisen, sichert sogar eine Vereinbarung mit dem Vatikan zu, unbehelligt zu bleiben. Das gilt jedoch nicht für die Plattform „kirchentreu“, die die Beiträge ihrer Mitglieder seit 2006 auf einem Treuhandkonto hortet. Verwaltet wird es von der Rechtsanwaltskanzlei des Obmanns der bei der letzten Nationalratswahl gescheiterten „Die Christen“-Partei, Alfons Adam, und seines Partners Gernot Steier.
Hintergrund: die laut „kirchentreu“ „antikirchliche Werbung“ einer Multimedia-CD an 15.000 Erstzahler des Kirchenbeitrages, die Verhütung und Homosexualität thematisiert. Bischof Ludwig Schwarz bedauerte, zog die CD zurück, kam aber der Forderung der Plattform (unter anderem Entlassung des Pressereferenten) nicht nach. Die Ernennung des Konservativen Wagner sei allerdings „ein erster Schritt in die richtige Richtung“, sagt Treuhand-Verwalter Steier. Er habe den 300 Aktivisten des Boykotts empfohlen, den Transfer der Gelder an die Diözese zu überdenken. Die seien skeptisch: „Man will abwarten, ob die Weihe tatsächlich stattfindet.“
Fischer entschuldigt sich
Die Praxis des Beitragsboykotts trifft die Haupteinnahmequelle der Katholischen Kirche: 386 Millionen Euro brachte im vergangenen Jahr die Kirchensteuer. Das sind 81Prozent der Gesamteinnahmen. Wagner schweigt nun, auch zu seinen umstrittenen Thesen zu Homosexualität, Naturkatastrophen und Satanismus.
Der Bischof der Diözese Feldkirch, Elmar Fischer, entschuldigte sich gestern für die Aussage, Homosexualität sei ein psychische Krankheit, die geheilt werden könne: „Ich ging von einem offenkundig nicht mehr letztaktuellen wissenschaftlichen Stand der Literatur aus.“ Homosexuellen-Initiativen und der Bundesverband der Psychotherapie hatten protestiert.
Um Schadensbegrenzung bemühte sich derweil die Bischofskonferenz. Sie distanzierte sich vom erzkonservativen Internetportal kreuz.net, das „Ausdruck einer geradezu sektiererischen Hetzpropaganda“ sei. Der Leiter des Medienreferats, Paul Wuthe, meinte: „Nicht überall, wo katholisch draufsteht, ist auch katholisch drin.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2009)