Kultusgemeinde will Juden nach Österreich holen

Ariel Muzicant
Ariel Muzicant(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Bis zu 1000 integrierbare Juden pro Jahr will die Kultusgemeinde aus dem Ausland anlocken, sagt Präsident Ariel Muzicant. Die FPÖ bezeichnet er als "Schande für das Land".

Die Israelitische Kultusgemeinde Wien (IKG) möchte in den kommenden Jahren gezielt jüdische Mitbürger aus dem Ausland nach Österreich holen. "Wenn sich die Krise etwas beruhigt hat und wir wieder normales Wachstum haben, wird die Kultusgemeinde den Versuch starten, eine kontrollierte Zuwanderung zu ermöglich", sagte IKG-Präsident Ariel Muzicant. Der Streit mit dem Wiesenthal Institut sei indes beigelegt, auch in der Frage der jüdischen Friedhöfe sei eine Lösung absehbar. Die FPÖ bezeichnete Muzicant als "Schande für das Land".

Etwa 500 bis 1000 Juden im Jahr will die IKG in Österreich integrieren. "Die Kultusgemeinde hat heute 7000 Mitglieder und Ziel muss sein, sie innerhalb eines bestimmten Zeitraums wieder auf 25.000 zu bringen. Die Infrastruktur dazu hätten wir", so Muzicant. Das Dilemma derzeit sei, dass "die Zahl der Juden in Österreich durch Abwanderung abnimmt. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Leute, die sich in der Kultusgemeinde anmelden, zu." Muzicant geht davon aus, dass die Zahl der Juden in Österreich in den vergangenen 20 Jahren um etwa 5000 sank, während die Zahl der in der IKG registrierten Juden in der Kultusgemeinde um etwa 1500 zugenommen hat.

"Wir überlegen uns Modelle, wie wir Menschen nach Österreich bringen, die leicht in die Gesellschaft und vor allem in die Wirtschaft integrierbar sind", so Muzicant weiter. "Also Leute, die schon nach einer relativ kurzen Frist auch in der Lage sind, sich zu erhalten, sprich, zu arbeiten und sich in den Arbeitsprozess einzugliedern." Diese sollen sowohl aus West- wie aus Osteuropa kommen. Derzeit arbeite eine eigene Kommission unter der Leitung von Ilan Knapp die Grundlagen dafür aus.

Streit mit Wiesenthal-Institut beigelegt?

Im Fall des Wiener Wiesenthal Instituts für Holocaust-Studien (VWI) hat sich die Situation laut Muzicant mittlerweile beruhigt. Der siebenköpfige Vorstand war geschlossen zurückgetreten, nachdem er der IKG vorgeworfen hat, dass sie Mikrofilme mit relevanten Informationen zum Holocaust nicht herausgegeben hat.

Prinzipiell müsse der freie Zugang zu den Mikrofilmen garantiert werden, so Muzicant, "es muss aber auch das VWI die Sicherheitsansprüche der IKG bezüglich Digitalisierung und Mikroverfilmung akzeptieren und einsehen, dass die IKG Eigentümerin des Archivs ist und auch bleiben muss", erklärte der IKG-Präsident. Jedenfalls würde niemand in Österreich ein vorzeitiges Ende des VWI wegen des Streits über Mikrofilmrechte verstehen.

Bewegt hat sich auch etwas in der lange anhaltenden Debatte um die Pflege jüdischer Friedhöfe. Hier habe die IKG eine Zusage von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP) zu einem Runden Tisch im Herbst erhalten. "Dort wird es zu einer Lösung kommen, die so aussieht, dass die Pflege und die Instandhaltung aller jüdischen Friedhöfe gesetzlich geregelt wird. Und wenn dann das Geld fehlt, dann soll man das beim nächsten Finanzausgleich berücksichtigen", so Muzicant, der auf einen Vorschlag des ehemaligen Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel (ÖVP) verweist. Ebenfalls eine Gesprächszusage soll es von Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) bezüglich Sicherheitsmaßnahmen für das neue Zentrum im Prater geben. Muzicant: "Es gibt Fortschritte."

"FPÖ ist eine Schande"

Das Klima mit der FPÖ bleibt weiterhin eisig. Zu dem bereits vereinbarten Gespräch mit dem Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf wird es, wie die "Presse" berichtet hatte, nicht kommen. Graf habe dieses verwenden wollen, "um damit einen Propaganda-Coup zu landen". Der FPÖ sei es nicht um die Deeskalation gegangen. Auch die Argumentation von FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache nach dem "Exiljuden"-Sager des freiheitlichen Spitzenkandidaten Dieter Egger lässt Muzicant nicht gelten. "Stimmt, es ist keine Beleidigung. Es ist Antisemitismus."

Ganz klar spricht sich der IKG-Präsident für eine lückenlose Rehabilitierung von Wehrmachts-Deserteuren, wie sie derzeit diskutiert wird, aus. "Straches Äußerung dazu ist rechtsextremistisches Gedankengut in Reinkultur und reiht sich lückenlos in die Serie der laufenden Provokationen der 'Keller-Nazis' ein. Diese FPÖ ist eine Schande für unser Land und kein politischer Partner, weder für Koalitionen noch für eine Politik für die Menschen in Österreich."

(APA)

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