Buddhas ungeliebte Baustelle

Mönch Sunim will mit dem Stupa am Wagram „allen Menschen und Religionen Frieden bringen“.
Mönch Sunim will mit dem Stupa am Wagram „allen Menschen und Religionen Frieden bringen“.(c) Stanislav Jenis
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In einem Weingarten in Niederösterreich errichtet ein Mönch einen Stupa. Rechtswidrig, sagen Kritiker. Statt Friede brachte das Bauwerk bisher Hass und Zwietracht.

Grafenwörth. „Die Esoterik-Schickeria hat es geschafft.“ Schimpfend steht Pensionist Hubert Jobst mit seiner Videokamera auf der Schulter neben dem Bagger und hält drauf. Hier, in einem Weingarten an der Abbruchkante des Wagrams, baut der koreanische Mönch Bop Jon Sunim seit Montag einen Stupa. Einen Friedensstupa, um genau zu sein, ein buddhistisches Bauwerk, das als Denkmal für den Dialog zwischen Menschen und Religionen dienen soll.

Von Frieden ist an diesem Herbsttag rund um Grafenwörth wenig zu spüren. 45 Autominuten nordwestlich von Wien bekämpfen Bürger wie Jobst, Oppositionspolitiker und christliche Traditionalisten seit Monaten den 32 Meter hohen Kuppelbau. Ihre Argumente: Naturschutz und Durchsetzung des Rechtsstaats. „Früher“, argumentiert Jobst nun gegen Maschinenlärm, Wind und Bauherren an, „war ich Grüner.“ Heute wähle er aus Protest gegen politische Willkür die FPÖ. Und Willkür sei auch „das hier“. Der Stupa zerstöre Landschaft und Lebensraum von Tieren.

Eigentlich darf im Grünland nicht gebaut werden. Selbst die Sanierung sogenannter Halterhütten, das sind kleine Schutz- und Gerätehäuschen in den Weingärten, sei wegen der strengen Bauordnung ein Problem, berichten Bauern aus der Region. Für den Stupa gibt es dennoch eine Baubewilligung. Zwar erachtet die Volksanwaltschaft diese als nichtig, Bürgermeister Alfred Riedl (ÖVP), Bezirkshauptmannschaft Tulln und die Bauoberbehörde des Landes vertreten aber einen anderen Standpunkt. Die Errichtung von Kapellen ist nämlich auch im Grünland erlaubt. Dieses Mal, so die Argumentation, sei die Kapelle eben buddhistisch und größer.

Fotos von den Gegnern, zur Sicherheit

„Auf diese Ausnahme haben wir uns gestützt“, erklärt Sunim auf der anderen Seite des Kettenbaggers. Stupa-Gegner Jobst und seine Kamera kennt er nicht, deshalb fotografiert der 65-jährige Mönch aus sicherer Entfernung zurück, man weiß ja nie. Vor einigen Jahren wollte Sunim in Gföhl im Waldviertel einen Stupa bauen. Damals schlug ihm offener Hass christlicher Hardliner entgegen. Eine Person wurde wegen Verhetzung verurteilt. Sunim ist vorsichtig geworden. Er und seine Mitstreiterin, Elisabeth Lindmayer, wurden nach eigenen Angaben bedroht, auf der Facebook-Seite der Bürgerinitiative Rettet den Wagram erschien vor Monaten ein Eintrag, der den Buddhismus in die Nähe von Nationalsozialismus und Pädophilie rückte. Das Posting wurde gelöscht, liegt der „Presse“ aber als Kopie vor. Der Betreiber der Seite, ein Grafenwörther Bürgerlisten-Gemeinderat namens Helmut Ferrari, will sich jedoch nicht mehr daran erinnern.

„Schandfleck“ in Figls Heimat

In den Weinstuben rund um den weithin sichtbaren Bauplatz äußern Befürworter des Projekts den Verdacht, dass nicht nur Naturschutz die Gegner antreibt. Sie tun das anonym, weil „mit denen“ wolle man sich nicht anlegen. Tatsächlich bekennt sich auch diesmal die von Rom getrennte Piusbruderschaft als Gegner. In einer Stellungnahme wird die Priestervereinigung deutlich. So hegt man am nahe gelegenen Österreich-Sitz „die Hoffnung, [. . .] dass sich die ÖVP, allen voran Bürgermeister Riedl und Landeshauptmann Pröll, hüten werden, dieses ,Marterl von Grafenwörth‘ als ewigen ,schwarzen Schandfleck‘ auf dem Heimatland Figls zu errichten.“

Einen – zumindest augenscheinlich – ebenfalls religiös punzierten Protest artikulierte am Montag der einstige Erste-Spitzenbanker und heutige Gutsverwalter Guntard Gutmann. Um sechs Uhr morgens stellte er sich mit Prozessionskreuz und Gebetsbuch in der Hand den Baumaschinen in den Weg. Vier Stunden betete er mit anderen Pilgern den Rosenkranz, ehe ihn die Polizei abführte.

Wenige Tage später erzählt der 49-Jährige auf dem Weg zur Waldarbeit, dass sein religiös anmutender Aktionismus tatsächlich keine spirituelle Basis, und schon gar nichts mit den Piusbrüdern zu tun habe. „Ja, ich sah in dieser Situation nicht ein, dass ich, mit Freunden gerade auf dem Jakobsweg, für einen meiner Meinung nach illegalen Bau weichen soll.“ Das habe er dann halt durchgezogen. Tatsächlich gehe es aber um etwas anderes. Gutmann glaubt, dass hier Behörden und ÖVP-Politiker „ihr Ding“ durchziehen, den Rechtsstaat untergraben. So würden die handelnden Stellen die Volksanwaltschaft bewusst ignorieren, weil sie genau wüssten, dass die Sache wegen der fehlenden Parteistellung der Anrainer nie vor den Verwaltungsgerichtshof gebracht werden könnte. Gutmann hofft nun, dass Mönch Sunim das Projekt freiwillig stoppt.

Eine Hoffnung, die sich wohl nicht erfüllen wird. Selbst dann nicht, wenn ein unter Schutz stehender Vogel, in diesem Fall der Wiedehopf, nach dem Winter zurückkehrt. Ein brütendes Paar hat den Bau schon einmal verzögert. Sunim: „Der Stupa stört den Vogel nicht, der kann ja fliegen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2016)

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