Schönborn: Freiwilliger Kirchenbeitrag vorstellbar

Kardinal Christoph Schönborn
Kardinal Christoph Schönborn(c) Fabry Clemens
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Kardinal Christoph Schönborn sieht Alternativen zum verpflichtenden Kirchenbeitrag, es gibt aber keinen politischen Willen dazu. Hoffnung setzt er in das Großprojekt "Apostelgeschichte 2010".

Für Kardinal Christoph Schönborn sind andere Modelle als der verpflichtende Kirchenbeitrag durchaus vorstellbar - wenn auch derzeit unrealistisch: "Es gäbe Alternativen, aber da gibt es keinen politischen Willen dazu", sagte er im Interview mit der APA. Ein freiwilliges Modell würde derzeit an den noch zu geringen steuerlichen Erleichterungen bei Spenden scheitern.

Eine Alternative zum verpflichtenden Kirchenbeitrag wäre für Schönborn etwa das US-amerikanische System, "dass man einfach ganz massive steuerliche Erleichterungen für Spenden an die Kirchen, an die Sozialeinrichtungen etc. geben würde". Dies sei zwar derzeit noch lange nicht der Fall, trotzdem lobte der Kardinal die jüngste, "deutliche Verbesserung in diesem Bereich", nämlich die Erhöhung des Absetzbetrags auf 200 Euro im Zuge der Steuerreform. "Das ist ein guter Schritt, aber das ist natürlich nicht genügend, um das System grundsätzlich zu ändern."

Schönborn bemängelt auch, dass die römisch-katholische Kirche mehr an Mehrwertsteuer an den Bund zahlt als der Bund an Subventionen für die Erhaltung der Kirchen ausgibt. "Wir empfinden das als schweres Unrecht vonseiten der öffentlichen Hand, denn es ist nicht einzusehen, dass eine kleiner werdende Zahl von Katholiken in ganz Österreich die Kulturdenkmäler in Österreich erhalten soll und der Bund sich dabei eigentlich ein Geschäft macht. Das kann auf die Dauer nicht gehen, das wird auch auf die Dauer nicht gehen." Solange dieses System bestehe, sieht der Kardinal ebenfalls keinen alternativen Weg zur verpflichtenden Kirchensteuer. "1,1 Prozent des versteuerbaren Einkommens für die Kirche zu geben, ist wirklich nicht zu viel."

Kirchenbeitrag Schuld an Austritten?

Dass der Kirchenbeitrag primär Schuld an den Austritten ist, glaubt der Kardinal nicht. "Ich glaube, der entscheidende Grund ist, dass Menschen keine Beziehung zur Gemeinschaft der Kirche haben, sie ist ihnen fremd geworden." Viele seien nicht damit aufgewachsen und hätten nur eine "vage Idee" von der Kirche. "Wenn dann ein Erlagschein kommt und man ihnen sagt, sie müssen 100 Euro zahlen, dann ist bei manchen die Schwelle zum Austritt sehr niedrig." Auch katholische Traditionen kämen mit der jetzigen Großeltern-Generation immer mehr abhanden. "Deshalb ändert sich auch die Situation der Glaubensvermittlung sehr stark."

Dass der Anteil der Katholiken an der österreichischen Bevölkerung anstatt zu sinken wieder steigen könnte, glaubt Schönborn nicht. "Ich glaube, die Zahl der Katholiken wird aus zwei Gründen auch weiterhin schrumpfen: Erstens aus demografischen Gründen", zweitens gebe es das "Phänomen des Kirchenaustritts", das speziell in Wien höher sei, als in anderen Bundesländern. "Und das bewirkt etwa, dass wir in Wien bereits unter der 50-Prozent-Schwelle sind, was die Katholikenzahl betrifft. Und das wird sicher noch weiter sinken." Interessant sei auch, so Schönborn, dass die Zahl der Kircheneintritte und der Erwachsenentaufen kontinuierlich steige. "Und es wird auch weiter steigen. Parallel zum Abbrechen der christlichen Traditionen in unserem Land nimmt die persönliche Entscheidung für diesen Weg zu."

Großprojekt "Apostelgeschichte 2010"

Hoffnung setzt die Erzdiözese Wien in das Großprojekt "Apostelgeschichte 2010", das im Oktober einen ersten Höhepunkt mit einer großen Diözesanversammlung (22. bis 24. Oktober) erreichen wird. "Das Wort Mission sollte uns nicht schrecken. Jedes Unternehmen hat sein Mission Statement, das gehört sozusagen zur Leitbildkultur unserer Unternehmen." Die Standards des Evangeliums seien dabei sehr klar, "sie sind in der Geschichte nur nicht immer befolgt worden".

Eine "Mission mit Zwang" lehnt der Kardinal vehement ab, "das kann sicher nicht das sein, was Jesus gewollt hat". Aber: "Wenn ich überzeugt bin, dass das Evangelium für mich und auch für die Gesellschaft ein guter Weg ist, dann werde ich versuchen, diesen Weg bekanntzumachen - wie jede politische Partei versucht, ihre Ideen bekanntzumachen. Wir werden sie nicht mit den politischen Mitteln durchzusetzen versuchen, sondern mit der persönlichen Überzeugung."


(APA)

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