"Verdammnis der Hölle": 100 Missbrauchsfälle in Italien

Missbrauchsskandale Auch Italien Faelle
Missbrauchsskandale Auch Italien Faelle(c) EPA (ETTORE FERRARI)
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Die Bischofskonferenz befasst sich mit dem heiklem Thema, nachdem der Papst zu offenerem Umgang gemahnt hat. Der Strafverteidiger des Vatikans droht kirchlichen Kinderschändern mit "Verdammnis der Hölle".

ROM. Die Skandale um sexuelle Übergriffe von katholischen Priestern haben auch in Italien für Schlagzeilen gesorgt, doch ging es dabei nur selten um Vorfälle im Stammland der Kirche. Erst jetzt hat das Thema auch die Bischöfe in Italien erreicht. 100 Fälle seien in den vergangenen zehn Jahren kirchenrechtlich verfolgt worden, gab der Generalsekretär der italienischen Bischofskonferenz, Bischof Mariano Crociata, bekannt – am Rande ihrer diesjährigen Frühjahrsvollversammlung. Wie viele dieser Fälle mit einer Verurteilung geendet haben, sagte er nicht.

Immer wieder sind in den vergangenen Monaten auch Einzelfälle an die Öffentlichkeit gelangt, doch Italien geht mit dem Thema weit weniger offensiv um als andere Länder. Zwar wurde über den Fall Mixa und auch über die Skandale in Irland groß berichtet, Kritik am Papst aber wurde in Italien zumindest öffentlich kaum geäußert. Vielmehr bekam er ausdrücklich Rückendeckung auch von Ministerpräsident Silvio Berlusconi.

Benedikt XVI. mahnte die Bischöfe jetzt zu einem offeneren Umgang mit dem Thema und zu mehr Buße. Und auch Crociata versicherte, jeder Fall sei einer zu viel. Zugleich wies er darauf hin, dass die Skandale der Kirche bisher kaum geschadet hätten. Italienische Katholiken seien zwar zutiefst erschrocken über Berichte aus anderen Ländern, ein Rückgang der Schülerzahlen in katholischen Schulen etwa aber sei in Italien derzeit nicht zu beobachten.

Priester in Mailand verhaftet

Meinungsumfragen allerdings zeigen eine Tendenz, die auch Italiens Bischöfe beunruhigen müsste. Nicht nur gehen seit Jahren immer weniger Italiener regelmäßig zur Kirche, auch das Vertrauen in Papst Benedikt XVI. ist in den vergangenen Wochen geschwunden. Von fast 60 Prozent im Jahr 2007 sank es nach einer Umfrage des Instituts Demos auf derzeit nur 47 Prozent. Ähnlich niedrig ist das Vertrauen in die katholische Kirche insgesamt. 62 Prozent der Befragten waren auch der Meinung, dass die Kirche versucht habe, die Missbrauchsskandale herunterzuspielen oder gar zu vertuschen.

Zweifellos waren Übergriffe auf Minderjährige auch in Italien weitaus häufiger als öffentlich bekannt wurde. Das musste selbst der Präsident der Bischofskonferenz, Kardinal Angelo Bagnasco, auf Nachfragen von Journalisten zugeben. Es sei möglich, dass Fälle vertuscht worden seien. „Es handelt sich um falsches Verhalten, das korrigiert werden muss.“

Vergleichsweise große Aufmerksamkeit fand ein Fall aus Mailand. Dort wurde der 73-jährige Priester Domenico Pezzini vergangene Woche verhaftet. Er soll vor einigen Jahren einen 13-Jährigen missbraucht haben. Die Polizei fand in der Wohnung des Priesters Kinderpornos.

Aufsehen erregte auch der Prozess gegen einen Priester in Rom. Der verantwortliche Bischof der Gemeinde Rufina, Gino Reali, wurde vor Gericht befragt, warum er trotz schwerer Vorwürfe gegen den Geistlichen nichts unternommen habe. Der Bischof verteidigte sich damit, ihn ermahnt zu haben, keine Buben mehr mit nach Hause zu nehmen.

Strengere Regeln im Umgang mit solchen Fällen sind aber in Italien nicht geplant. Die Richtlinien der vatikanischen Glaubenskongregation aus dem Jahr 2001 und der Hirtenbrief an Irlands Katholiken des Papstes seien ausreichend klar, betonte Crociata.

„Verdammnis der Hölle“

Italien kennt auch keine Meldepflicht an die Behörden, Kooperation sei jedoch „wünschenswert“. Auch die Einrichtung einer Sonderkommission nach deutschem Vorbild ist nicht geplant.

Der Strafverfolger des Vatikans, Monsignore Charles Scicluna, sorgte am Samstag bei einem Gottesdienst in Rom für Aufsehen. Er zitierte aus einem Text von Papst Gregor dem Großen (590 bis 604): Es sei „wirklich besser“ des Kindesmissbrauchs schuldige Priester zum Tod zu verurteilen, weil „die Verdammnis der Hölle schrecklicher“ für sie wäre.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2010)

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