Der Mord an einem türkischen Bischof sorgt für immer mehr Rätsel. Im Vatikan selbst wollte man vorerst keine Stellungnahme abgeben. Vatikansprecher Lombardi meinte, er wolle auf Informationen warten.
Rom/Ankara (ag.). Plante der mutmaßliche Mörder des Anfang Juni in der Türkei erstochenen Bischofs Luigi Padovese ein Attentat auf den Papst? Immer mehr Indizien sprechen dafür, dass der Chauffeur des Bischofs, Murat Altun, offenbar auch den Papst töten wollte, berichten italienische und spanische Zeitungen.
Der 63-jährige Padovese hatte nur wenige Stunden vor seinem geplanten Abflug zu einem Treffen mit dem Papst in Zypern am 3.Juni seinen und Altuns Flug storniert. Gemeinsam mit anderen Bischöfen der Region wäre Padovese von Benedikt XVI. zu einem Vorbereitungstreffen in Zypern eingeladen gewesen.
Padovese sei sich offenbar der Gefahr bewusst gewesen, die von Altun ausgehe, meinte ein Vatikan-Kenner. Deswegen habe er die Reise abgesagt und sei so selbst zum Opfer geworden. Auch in der türkischen katholischen Gemeinde wird über die Stornierung des Flugs spekuliert. Vielleicht wollte sich auch Altun dafür rächen, dass er nicht an den Papst herankommen sollte.
Religiöse Motive
Zudem soll der mutmaßliche Mörder Murat Altun kein geistesgestörter Einzeltäter gewesen sein, wie es anfangs geheißen hat. Er habe einen oder zwei Mittäter gehabt, die gemeinsam mit ihm in das Privathaus des Bischofs in Iskenderun eingedrungen seien und den Vorsitzenden der Bischofskonferenz mit mehreren Messerstichen töteten und dann enthaupteten. Außerdem soll Altun aus religiösen Motiven gehandelt haben. Augenzeugen wollen gesehen haben, wie er auf das Dach kletterte und rief: „Allah ist groß!“ Gegen den 26-Jährigen wurde Anklage erhoben.
Im Vatikan selbst wollte man vorerst keine Stellungnahme abgeben. Vatikansprecher Lombardi meinte, er wolle auf Informationen warten, um „eine vollständige Sicht der Situation“ zu haben.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2010)