Ground Zero: Eine Moschee und viele Emotionen

Feisal Abdul Rauf
Feisal Abdul Rauf (c) AP (Hasan Jamali)
  • Drucken

In den USA tobt seit Wochen ein Streit um ein geplantes Gemeindezentrum im Süden Manhattans. Der Imam hinter dem Projekt gilt als gemäßigt und friedfertig. Doch nun sorgt seine Frau für Aufregung.

New York. Für Interviews stand Feisal Abdul Rauf stets gern zur Verfügung. Öffentliche Reden hielt der Imam nahezu täglich. Und Moslems, die mit Rauf beten wollten, konnten das jederzeit in der „Masjid al-Farah“ in Manhattan tun. Doch seit vier Wochen ist von dem Imam nichts zu hören. Abdul Rauf hat sich zurückgezogen. „Die Debatte um diese Moschee setzt uns sehr zu“, sagte Ehefrau Daisy Khan bei einem TV-Auftritt.

Seitdem bekannt geworden ist, dass zwei Straßen nördlich von Ground Zero ein Gemeindezentrum inklusive Moschee entstehen soll, ist in den USA ein Streit um das Thema Religionsfreiheit ausgebrochen. Moslems würden bewusst provozieren, indem sie den 15-stöckigen Komplex neben dem Ort bauen, wo einst das World Trade Center stand, sagen die Gegner. „Keinesfalls“, argumentiert die islamische Gemeinde. Im Süden Manhattans bestehe der Bedarf nach einer Moschee und die Adresse habe sich angeboten.

Abdul Feisal Rauf ist der Mann hinter diesem Projekt. Der 61-Jährige soll Imam des geplanten islamischen Zentrums werden. Seit Wochen dreht sich die Debatte darum, ob der gebürtige Kuwaiter moderat ist oder Verbindungen zu Fundamentalisten haben könnte und somit eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellt.

Als Student ein Brückenbauer

Rauf kam 1965 als Jugendlicher mit seiner Familie nach New York. An der renommierten Columbia University studierte er Physik. Ein jüdischer Kommilitone bezeichnete ihn kürzlich als „weltoffenen Kollegen, der sich stets für die andere Seite interessierte“.

Während des Sechs-Tages-Krieges zwischen Israel und den arabischen Staaten im Jahr 1967 sei Rauf von jüdischen Kommilitonen provoziert worden. Anstatt Streit zu suchen, habe der heutige Imam eine Diskussionsgruppe ins Leben gerufen. Von nun an sollte er täglich mit den jüdischen Kollegen politische Themen besprechen. „Er war ein Brückenbauer“, sagte einer der Kommilitonen, Alan Silberstein, der „New York Times“.

Der Streit um die geplante Moschee nördlich von Ground Zero hat am Wochenende zu Demonstrationen im Süden Manhattans geführt. Ein Polizeiaufgebot von mehreren hundert Mann hielt Gegner und Befürworter des Gemeindezentrums auseinander. „Da braut sich etwas zusammen“, sagten Moslems vergangene Woche bei einem Lokalaugenschein in einer Moschee zur „Presse“.

Die Konservativen kritisieren Abdul Rauf dafür, dass er sich zurückgezogen hat. Sie haben Ausschnitte aus Interviews veröffentlicht, die radikales Gedankengut nicht ausschließen. So weigerte sich Abdul Rauf, die Hamas als Terrororganisation einzustufen. Und al-Qaida-Anführer Osama bin Laden bezeichnete er nach den Anschlägen vom 11. September 2001 als „von den USA hausgemacht“. Das sei in den Ausschnitten aus dem Kontext gerissen worden, argumentiert Abdul Rauf.

„Das ist wie Antisemitismus“

Aktuell befindet sich der Imam auf einer von den USA finanzierten Reise im Mittleren Osten. Dort soll er Moslems den amerikanischen Lebensstil erklären und zur Annäherung der Kulturen beitragen. Gegner der Moschee vermuten, dass Rauf die Gelegenheit nütze, um Geld für das 100.-Mio.-Dollar-Projekt bei Ground Zero einzusammeln. Die Rockefeller Foundation, die der Imam als Sponsor nannte, hat sich nämlich von dem Gemeindezentrum distanziert.

Raufs Ehefrau Kahn könnte indes bei ihrem Fernsehinterview zusätzlich Öl ins Feuer gegossen haben. „Der Hass gegen uns Moslems ist mit Antisemitismus gegen Juden zu vergleichen“, sagte sie. „Eine Frechheit. Wir werden diese Moschee verhindern“, konterte die eigens gegründete Organisation „Stop the 9/11 Mosque“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.