Ägidius Zsifkovics: Flaute nach der Kirchensause?

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aegidius Zsifkovics Flaute nach(c) EPA (GEORG HOCHMUTH)
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Die Bischofsweihe von Ägidius Zsifkovics wurde am Samstag in Eisenstadt mit allem Pomp gefeiert, zu dem die katholische Kirche fähig ist. Er ist mit 47 der jüngste Diözesanbischof des Landes.

Es kann kein Zweifel bestehen: Dieser Mann muss sich außerordentlicher Beliebtheit erfreuen. Dass vier Kardinäle (aus Wien, Budapest, Zagreb, Sarajewo), 52 Bischöfe, drei Äbte und 220 „einfache“ Priester, so wie gestern, Samstag, vormittags im Dom zu Eisenstadt zusammentreffen, kommt nicht alle paar Tage oder Jahre vor. Selten ist der Auftrieb von Mitraträgern bei der Weihe eines Bischofs einer eher kleinen Diözese – deren Katholikenzahl liegt knapp über der jener der Einwohner von Favoriten, Wiens größtem Bezirk – annähernd ähnlich groß.

Der Mann, dem an diesem Tag die Aufmerksamkeit gilt, heißt Ägidius Zsifkovics. Kardinal Christoph Schönborn, Metropolit der Kirchenprovinz Wien, zu der die Diözese Eisenstadt gehört, konsekriert den 47-Jährigen zum Bischof. Er ist damit der jüngste Diözesanbischof des Landes. Dass die hochrangige Beteiligung Ausdruck der „weltkirchlichen“ Bedeutung dieses Ereignisses ist, wie Zsifkovics vor seiner Weihe wohl im Überschwang der Gefühle meint, lässt manche schmunzeln. Davon ist bei der Liturgiefeier und danach bei der großen Sause, pardon, bei der Agape, für die das gesamte Areal des Domplatzes gesperrt ist, keine Rede mehr. Das Bundesheer tut, was es trotz aller Zweifel an der Einsatzfähigkeit jedenfalls beherrscht, und fährt mit Gulaschkanonen auf. Aus allen Winkeln des Burgenlandes wurden Mehlspeisen und – erraten, ja, die ein oder andere Fläche dient hier dem Anbau von Trauben – Wein gespendet. Das gesamte Burgenland also im Freudentaumel über den neuen Bischof?

Der Schein trügt. Bei nicht wenigen Katholiken mischt sich in die Freude über den Neuen auf dem Bischofssessel Wehmut über die Pensionierung des im Dom am Samstag enthusiastisch akklamierten Paul Iby, bei nicht wenigen Angst über die Zukunft der Diözese oder die ihres Arbeitsplatzes. Schönborn spielt in seiner Predigt auf die Unstimmigkeiten an. In Auslegung des Evangeliums von der Hochzeit zu Kana meint er: Der eine, der andere hätte sich vielleicht einen anderen Bräutigam gewünscht. Aber, so der Kardinal verschmitzt: „Bei welcher Hochzeit gibt es keinen Wermutstropfen?“ Zsifkovics wird zum Verhängnis, dass er sich seit seiner Bestellung zum Generalsekretär der Bischofskonferenz vor elf Jahren im Burgenland sehr rar gemacht hat. Und das, obwohl er auch als Monsignore entgegen anders lautenden Empfehlungen aus dem Episkopat Pfarrer in Wulkaproderdorf geblieben ist. Zsifkovics, selbst aus der kroatischen Minderheit, war Schönborns Mann für alle Kontakte der Bischofskonferenz zu den mitteleuropäischen Amtsbrüdern. Zu keiner Zeit vorher waren die Beziehungen über die Grenzen hinweg so ausgeprägt.

Der viel beachtete Mitteleuropäische Katholikentag und die „Wallfahrt der Völker“ im Mai 2004 in Mariazell gehen voll auf das Konto der Arbeit von Zsifkovics. Damit ist auch erklärt, weshalb in Eisenstadt für wenige Stunden die Dichte an Eminenzen und Exzellenzen so hoch ist wie sonst nur im Vatikan.

Apropos Vatikan: Absolute Rom-Treue, dieses seltsame „Killerargument“ wurde und wird verschiedentlich – natürlich nur ganz vertraulich – gegen den neuen Bischof ins Treffen geführt. Dabei: Die Neubestellung ist allemal eine Zäsur für das Burgenland. Vorbei werden unter dem neuen Mann mit dem Hirtenstab wohl die Zeiten sein, in denen der eine oder andere Sonderweg gegangen wurde. In denen der Bischof die Pfarrer (und die Pfarrer den Bischof) im Allgemeinen unbehelligt vor sich hin werken ließen. Das Burgenland wird also in die katholische Normalität zurückgeholt.

Mit Unverständnis wird auf erste Entscheidungen von Zsifkovics reagiert: Diözesantag – abgesagt. Ökumenischer Pfarrertag – abgesagt. Seelsorgertag – abgesagt. Pfarrgemeinderätetreffen in Mariazell – abgesagt. Wird eine Zeit des Stillstands eingeleitet? Herrscht nach dem Beseitigen aller Feierreste von gestern die große Flaute rund um den Neusiedler See?

Zsifkovics wehrt sich gegen derlei Vorwürfe in einem längeren Brief an seine Kritiker. Er begründet die Entscheidungen damit, dass sich nach seiner Weihe laut Kirchenrecht eben die Gremien neu bilden müssten. Wörtlich schreibt er: „Eine Infragestellung der Bedeutung von Laien aus diesen Entscheidungen herauszulesen ist ungerechtfertigt, unbegründet und unseriös!“ Am Samstag kündigt Zsifkovics als soeben geweihter Bischof dann Selbstverständlichkeiten an: Er wolle das Evangelium verkünden und missionarische Initiativen setzen. Der pannonische Alltag kann beginnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2010)

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