Katholische Kirche wirbt anglikanische Bischöfe ab

(c) AP (Alessandro Bianchi)
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Den fünf abtrünnigen Kirchenfürsten war vor allem die Weihe von Frauen zu Bischöfinnen und die Ehen Homosexueller ein Dorn im Auge. Der Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, hat ein Autoritätsproblem.

So sehr sich der Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, als Kommentator in politischen und moralischen Fragen profiliert hat, als Oberhaupt der Church of England hat der ranghöchste Anglikaner ein Autoritätsproblem: Nach dem jüngsten Übertritt von fünf anglikanischen Bischöfen zur römisch-katholischen Kirche sagte gestern einer von ihnen (John Broadhurst, bisher Bischof von Fulham): „Wir erwarten, dass tausende Laien unserem Schritt folgen werden.“

Die Abtrünnigen begründeten ihren Schritt mit Unzufriedenheit über den Kurs der anglikanischen Kirche unter Williams. Der Bischof von Richborough, Keith Newton, sagte: „Es herrscht laxe moralische Einstellung zu Fragen wie der Zulassung Homosexueller zur Ehe, der Abtreibung und zu Fragen von Leben und Tod.“ Sein Kollege Andrew Burnham aus Ebbsfleet verglich die Church of England mit einer Kaffeehauskette: „Wenn ,Costa Coffee‘ in jeder Filiale was anderes anbietet und man das Produkt nicht mehr kennt, werden sie pleitegehen.“

Mit seinem ätzenden Vergleich spielte Burnham auf die Kontroversen an, die in der weltweiten anglikanischen Kirche für tiefe Risse sorgen: vor allem die Rolle von Homosexuellen und Frauen in der Kirche, exemplifiziert an der Frage der Priesterweihe. Während liberale Lokalkirchen in den USA und Kanada dabei im Einklang mit der Mehrheit ihrer Gläubigen vorangehen wollen, lehnen besonders afrikanische Kirchenführer jede Abkehr von der Tradition ab.

Friedfertigkeit macht Feinde

Williams' Tragödie aber ist, dass er mit seiner unablässigen Suche nach Kompromissen (fast) alle an der Kirchenspitze gegen sich aufgebracht hat. Und bissige mediale Kommentare seines Vorgängers, George Carey, stärken die Autorität des Erzbischofs von Canterbury auch nicht gerade. Williams' zweites Problem ist das Interesse Roms, die Schwächen der Anglikaner auszunützen. Vor einem Jahr erließ Papst Benedikt XVI. ein Dekret über die „Englische Weihe“, wonach unzufriedenen Anglikanern der sofortige Übertritt zur römischen Kirche möglich ist, ohne dass sie ihre bisherigen Regeln aufgeben müssen.

Die Ehefrauen dürfen mit

Damit kann die katholische Kirche etwa verheiratete Geistliche quasi durch die Hintertür bekommen: Verheiratete Anglikaner-Bischöfe dürfen nämlich katholische Priester werden, vom Bischofsamt bleiben sie aber ausgeschlossen. Bei den Anglikanern sprechen viele von einem „feindlichen Akt“ Roms.
Mittlerweile scheint Erzbischof Williams der Auseinandersetzungen mit Rom überdrüssig zu sein: Zum Abgang seiner fünf Kollegen meinte er lakonisch: „Wir wünschen ihnen alles Gute in der nächsten Stufe ihres Dienstes für die Kirche.“ Das hört sich eher nach Erleichterung als nach Bedauern an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10. November 2010)

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