Kardinal Schönborn als "Kirchenräuber"?

(c) Michaela Bruckberger
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Eine Demonstration rund 100 frommer Katholiken am Samstag ist der vorläufige Höhepunkt des Widerstands gegen ein Kirchen-Geschenk an Serben. Kardinal Christoph Schönborn bleibt der Anblick gottlob erspart.

Christoph Schönborn bleibt am Samstag der Anblick gottlob erspart. Der Kardinal ist per Bahn am Vormittag aus Wien kommend im weit über die Landesgrenzen der Schweiz hinaus bekannten Benediktinerkloster Einsiedeln eingetroffen. Er darf dort am Vorabend des Advents Exerzitien leiten. Schönborn muss nicht persönlich mit ansehen, wie sich im Schatten seiner Bischofskirche, des Stephansdoms, am Samstagvormittag Unerhörtes zuträgt.

Im anschwellenden Einkaufstrubel wird gegen eine seiner Maßnahmen demonstriert. Nicht rebellische Kirchenreformer, sondern an die 100 kreuzbrave Katholiken versammeln sich im Herzen der Stadt: Alt und Jung, viele Kinder, noch mehr Polen, die amateurhaft gefertigte Flyer an unschuldig vorbeikommende Wiener und verwunderte Touristen verteilen. „Weil wir nicht verstehen, warum unser Kardinal eine intakte Pfarre willkürlich zerstört, weil wir unsere Kirche lieben“, ist den Zetteln zu entnehmen.


Widerstand. Sie kämpfen gegen den „Raub“ ihrer Kirche Neulerchenfeld in Ottakring durch Kardinal Schönborn. Der Erzbischof hat erst in der ablaufenden Woche die Entscheidung bekräftigen lassen, das katholische Gotteshaus den Serbisch-Orthodoxen zu schenken. Dabei ist Neulerchenfeld eigentlich Opfer des Denkmalamts. Die Beamten verhinderten die ursprünglich geplante und weitgehend ausverhandelte Übergabe der Kirche Maria vom Siege in der Nähe des Westbahnhofs durch ihr Veto gegen eine von den Serben verlangte Entfernung der Statuen. Die Erzdiözese blieb so auf dieser neugotischen Kirche sitzen, deren dringend gebotene Renovierung elf Millionen Euro kosten würde – Geld, das die Finanzkammer in Zeiten real schrumpfender Einnahmen aus Kirchenbeiträgen nicht bereit ist, in die Hand zu nehmen. Das Abtreten der Kirche Neulerchenfeld an die Serben ist so für Schönborn die zweitbeste Lösung, aber eine Lösung.

Ganz und gar keine Lösung hingegen für die Aktivisten, die auf dem Stephansplatz frieren und sich auch nicht von Dompfarrer Anton Faber beschwichtigen lassen. Einer der Rädelsführer, Gerd Grün, ringt um Fassung: „Wir kämpfen ja nicht gegen die Kirche. Wir kämpfen für unsere Kirche. Wir werden uns mit Sicherheit mit dem Beschluss des Herrn Kardinals nicht abfinden. Wir wollen alle Mittel ergreifen, wenn es uns sinnvoll erscheint, auch klagen.“ Die Chancen, die Zusammenlegung mit der in unmittelbarer Nachbarschaft gelegene Pfarre Maria Namen noch auf rechtlichem Weg stoppen zu können, sind gering. Um korrekt zu sein, sie gehen gegen Null.

Rom weiß alles
. Erich Ehn, Amtschef für Rechtsangelegenheiten der Erzdiözese, erklärt: „Das ist ein klassischer Fall des inneren Wirkungsbereichs einer Kirche und Religionsgesellschaft, wie er im Artikel 15 des Staatsgrundgesetzes verankert ist.“ Mit anderen Worten, der Kardinal ist laut staatlichem Recht frei, Pfarren zu gründen, deren Grenzen zu ändern, zusammenzulegen oder aufzulösen. Kirchenrechtlich hat ein Diözesanbischof ohnedies nichts zu befürchten. Er muss nur den Priesterrat „hören“ – nicht erhören.

In diesem Fall hat Schönborn vielleicht den Widerstandsgeist seiner Schäfchen in Ottakring unterschätzt. Und deren Kontakte. Denn die Gemeinde um Pfarr-Moderator Tadeusz Cichon wird zum Großteil aus Polen gebildet. Schon treffen erste Meldungen über den Wiener Kampf um eine Kirche in polnischen Kreisen anderer Städte ein, selbst in Rom. Und ein Protestbrief wurde an den Botschafter des Papstes, Erzbischof Peter Stephan Zurbriggen, verfasst. Schönborn hat den Fehdehandschuh aufgenommen und ein Schreiben in polnischer Sprache verbreiten lassen, in dem er seine Entscheidung verteidigt.

Dabei ist Schönborn im Grunde ein ausgeprägt harmoniebedürftiger Mann. Das „Pech“ des Dominikanerpaters besteht nur darin, dass er sich dem Ruf des Papstes nicht verschließen konnte, Bischof zu werden.

SCHOCK, SCHMERZ

Brief Kardinal Christoph Schönborns an die Pfarre Neulerchenfeld (gekürzt):„In Wien ist vieles im Umbruch, und wir müssen uns als katholische Christen darauf einstellen. Allein die demografische Entwicklung führt dazu, dass wir immer weniger werden. Unsere Kirchen sind an Anzahl und Größe unter anderen Verhältnissen gebaut worden [...] Wir sind aufgerufen, unseren christlichen Geschwisterkirchen zur Seite zu stehen. Andere Kirchen werden noch folgen. Es ist für viele sicherlich ein Schock. Ich weiß, dass diese Entscheidung Trauer und Schmerz hervorrufen wird. Ich verstehe es, wenn viele enttäuscht sind – von mir, von den Verantwortlichen der Erzdiözese. Aber die Not der anderen Christen kann uns nicht egal sein [...] Sie alle bitte ich, sich nach einer Zeit der Trauer und des Loslassens nicht verhärmt und enttäuscht zurückzuziehen, sondern aktiv an der neuen Sozialgestalt der neuen Pfarre mitzuwirken.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2010)

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