TV-Doku: Vatikan verhinderte Entlassung Pädophiler

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Rom soll Irlands Kirche entgegen den Wünschen von Bischöfen die Auslieferung geistlicher Kinderschänder verboten haben. Walsh kam danach für die nächsten zehn Jahre in ein Kloster statt hinter Gitter.

Dublin/Rom/London/Rei. Als im vergangenen März Papst Benedikt XVI. zu dem riesigen Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche in Irland Stellung nahm, erhob er schwere Vorwürfe gegen den irischen Klerus. Doch nun bringen neue Enthüllungen den Vatikan selbst unter Druck: Laut einer Dokumentation des öffentlich-rechtlichen irischen Fernsehsenders RTÉ untersagte Rom anno 1997 in einem „streng vertraulichen“ Schreiben die Auslieferung des Priesters Tony Walsh an die irischen Behörden, obwohl die Bischöfe des Landes diesen Schritt hatten setzen wollen.

Walsh, der hunderte Knaben missbraucht haben soll, kam danach für die nächsten zehn Jahre in ein Kloster statt hinter Gitter. Und selbst dort soll es noch einmal zu einem Missbrauchsfall gekommen sein; erst im Dezember 2010 wurde Walsh wegen Kindesmissbrauchs von einem irischen Gericht zu 123 Jahren Haft verurteilt. Nach Angaben von RTÉ verhinderte der Vatikan Ende der 1990er-Jahre auch in einem zweiten Fall die Auslieferung eines Priesters.

Den Mantel des Schweigens auszubreiten, scheint über lange Zeit das wichtigste Ziel der katholischen Kirchenführung in Rom in Zusammenhang mit Kindesmissbrauch durch Geistliche gewesen zu sein. Schon im Jahre 1996 habe sich der Vatikan vehement gegen ein Handbuch der irischen Kirche gestellt, in dem für den Umgang mit Kindesmissbrauch die Erstattung von Anzeigen an die staatlichen Behörden empfohlen wurde. Ein irischer Bischof, der namentlich nicht genannt wurde, soll als Reaktion darauf von „einem Mandat zur Vertuschung“ gesprochen und sogar mit seinem Rücktritt gedroht haben.

„Ihr seid Bischöfe, keine Polizisten“

Der Vatikan ließ sich freilich offenbar davon nicht beeindrucken: Laut der Dokumentation von RTÉ wurden die Bischöfe der grünen Insel 1999 bei einem Besuch in Rom von einem namentlich nicht genannten „hohen Würdenträger des Vatikans“ ermahnt: „Ihr seid zuerst Bischöfe, nicht Polizisten.“

Papst Benedikt XVI. hatte der irischen Kirche vorgeworfen, „es verabsäumt zu haben, die Normen des Kirchenrechts in Fällen des Kindesmissbrauchs zur Anwendung zu bringen“. Nach den neuen Enthüllungen sieht sich der Vatikan freilich exakt demselben Vorwurf ausgesetzt. Der irische Opfervertreter Bryan Maguire sagt: „Wir haben es hier mit einem ganzen System zu tun, das den Missbrauch erst ermöglicht hat. Wir wollen, dass sich die Kirche selbst im Spiegel anschaut und nicht das Problem auf die lokale Ebene abschiebt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2011)

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