Religion und Arbeit: Beten statt rauchen

(c) Clemens Fabry
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Expertendiskussion, wie sich Religion und Arbeit unter einen Hut bringen lassen. "Die einen gehen für fünf Minuten auf Zigarettenpause, die anderen eben zum Gebet", sagt Carla Amina Baghajati.

Wien/Eko. „Natürlich gibt es Reibungsflächen zwischen Religionspraxis und Arbeitsalltag“, sagt Carla Amina Baghajati. „Etwa das rituelle Gebet fünfmal am Tag – das fällt manchmal eben auch in die Arbeitszeit. Und das stelle arbeitende Muslime immer wieder vor Probleme. Im Rahmen der Tagung „Arbeit und Religionen – betrieblicher Umgang mit Vielfalt“, die gestern, Donnerstag, im Bildungszentrum der Arbeiterkammer stattgefunden hat, referiert die Sprecherin der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) zur Bedeutung der Arbeit im Islam.

Angst wegen Fundi-Vorwurf

Und bei allen positiven Dingen, die dazu zu sagen seien, müsse man eben auch über die negativen Aspekte sprechen – die in der öffentlichen Debatte im Vordergrund stehen. Dabei, so Baghajati, werde das Thema oft überdramatisiert. Die einen gehen für fünf Minuten auf Zigarettenpause, die anderen eben zum Gebet. „Viele Arbeitnehmer haben eine Hemmschwelle, das Thema anzusprechen“, meint sie, „weil sie Angst haben, dann gleich als Fundamentalist dazustehen.“ Doch ist das Thema einmal auf dem Tisch, finde sich immer eine pragmatische Lösung.

„Die Diskussion ist oft künstlich aufgeladen“, sagt auch Helmut Schüller. Der katholische Seelsorger hält das „spirituelle Powernapping“, wie er es nennt, sogar für wünschenswert – auch aus der Sicht von Arbeitgebern. Denn danach sei man viel lockerer und bringe bessere Leistungen.

Feste Gebetszeiten können allerdings auch ein Problem sein, merkt Integrationsforscher Bernhard Perchinig an – dort, wo Arbeit kollektiv getaktet ist, etwa in der Industrie. Ein Fließband könne man nicht einfach verlassen. In vielen Arbeitsfeldern gebe es aber ohnehin Gleitzeit oder ähnliche Regelungen, die in Abstimmung mit dem Betriebsablauf auch zum Beten genützt werden können. Einen Rechtsanspruch auf Gebetszeiten gebe es allerdings nicht – hier sei auf beiden Seiten vor allem Kompromissbereitschaft gefragt.

Vorbildhaft werde ein solches Kompromissdenken derzeit beim Österreichischen Bundesheer umgesetzt, so Perchinig. Dort bekommen muslimische Rekruten anlässlich der Feiern zum Ende des Ramadan frei, dafür müssen sie eben zu Weihnachten in der Kaserne sein. So können mehr nicht muslimische Rekruten das Weihnachtsfest daheim verbringen. Damit habe man aus einem scheinbaren religiösen Konflikt eine Win-win-Situation gemacht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2011)

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