Pilgerverbot für Priester „aus Verzweiflung“

(c) KLAUS HÖFLER
  • Drucken

Ein Obersteirer sperrt für Geistliche den Pilgerweg durch seinen Wald nach Mariazell und protestiert gegen die „schändliche Aufarbeitung“ von Missbrauchsfällen.

Mariazell. Nein, er sei kein Opfer, stellt Sepp Rothwangl mit fast zorniger Bestimmtheit klar. Eine derartige Bezeichnung sei „entwürdigend“, weil sie Handlungsunfähigkeit suggeriere. „Ich bin Betroffener kirchlicher Gewalt“, differenziert der Obersteirer – Nachsatz: „Und handlungsfähig“.

Der jüngste Tätigkeitsbeweis hat dem 62-Jährigen in den vergangenen Tagen einen Bekanntheitsgrad beschert, der weit über das heimatliche Mürztal hinausreicht. Es sind Verbotstafeln, die Rothwangl an drei Stellen in seinem 120Hektar weiten Waldgrundstück am Pretalsattel aufgehängt hat. Darauf weist er das Areal als „Kinderschutzgebiet“ aus. „Das Betreten dieses Grundstücks ist Priestern, Ordenspersonal oder anderem Kirchenpersonal gemeinsam mit unbeaufsichtigten Kindern ohne Beisein von deren Eltern, Vormunden oder Bevollmächtigten verboten“, heißt es. Als Grund wird „die große Zahl von Missbrauchsvorfällen in der katholischen Kirche“ angegeben, die zu dieser „Vorsichtsmaßnahme im Interesse schutzloser Kinder“ zwinge. Untermauert wird das Verbot mit einer Anzeigenandrohung und einem Schild, auf dem ein Priester zwei Kindern nachstellt.

Vorwurf der Wichtigtuerei

Durch den Wald verläuft auf 1,5 Kilometern eine hoch frequentierte Pilgerroute nach Mariazell. Drei Tage sind engagierte Wallfahrer von hier aus noch bis zur Basilika unterwegs. Die sechsköpfige Gruppe, die gerade an Rothwangls Forsthaus vorbeimarschiert, ist im südsteirischen Leibnitz gestartet. Von den Tafeln haben sie einen Abend davor gehört. „Da will sich halt einer wichtig machen“, fällt einer Pilgerin als Erstes ein. „Damit wird ja alles, was die Kirche zuletzt gemacht hat, zerstört und die Sache wieder aufgewärmt“, ergänzt ein Mann.

„Die Sache“: Bei Rothwangl liegt sie 50Jahre zurück. Als 12-Jähriger hat er in einem von der Kirche geführten Internat in Graz pädophile Übergriffe durch Ordensangehörige erlebt. Jahrzehntelange psychotherapeutische Behandlung war die Folge. „Mich hat die seelische Verstörung krank gemacht“, sagt er. Lange schwieg er. „Aus Angst, es könnte existenzbedrohend sein.“ In ihm habe es aber „weiter gebohrt“.

Nachdem eine Sachverhaltsdarstellung bei der Polizei und eine Schadensersatzforderung bei der Finanzprokuratur der Republik im Sand verlief, haben sich „aus Verzweiflung und Ärger“ (Rothwangl) die Überlegungen verdichtet, „in welcher Form ich auf die schändliche Form der Aufarbeitung durch die Kirche hinweisen könnte“. Daraus entstand die Idee mit den Tafeln. Eine mediale Dauerbelagerung des idyllisch in einer Lichtung eingebetteten Forsthauses ist die Folge. Und eine Anzeige durch die BZÖ-Abgeordneten Gerald Grosz und Ewald Stadler. Sie werfen Rothwangl eine Pauschalverurteilung katholischer Priester vor. „Verwerfliche Aussagen“, fällt dem Beschuldigten dazu ein. Und dass er „diesen Fehdehandschuh regelrecht lachend“ entgegennehme. Er wolle in seinem Wald „nur Ruhe haben“. Mit Mountainbikern, Schwammerl- und Beerensuchern habe er sich arrangiert. Mit Pilgern ist es ihm nicht immer gelungen, erinnert er sich an Gruppen, die das schmale Wiesenstück vor seinem Haus als Nachtlager benutzt haben, „dass ich gar nicht bei der Tür hineingekommen bin“.

Diözese sieht Diffamierung

Jetzt will er sie zudem für Dinge sensibilisieren, die „in Beichtstühlen, Sakristeien und Kirchtürmen passieren“. „Eh gut, wenn darüber gesprochen wird“, sinniert eine aus der Leibnitzer Pilgergruppe. Rothwangl lächelt skeptisch. Kurz davor hatte er sich – mit einem Fingerzeig auf den gleichlautenden Aufdruck auf seinem T-Shirt – als „der damische Hirsch“ geoutet, der die Schilder aufgestellt hat. Die Pilger wirken verstört.

Die offizielle Kirche reagiert deutlich strenger. Man wehre sich gegen die Diffamierung eines ganzen Berufsstandes und weise die rechtlich und moralisch nicht haltbare Generalverurteilung strikt zurück, hieß es aus der Diözese. Pater Karl Schauer, Superior von Mariazell, tat die Schilder als „puren Aktionismus“ ab. „Dass es ihm wurscht ist, ist nur gespielt“, glaubt Rothwangl. Er selbst hält auch von der von der früheren steirischen Landeshauptfrau Waltraud Klasnic geführten Ombudsstelle für Opfer nichts: „Das ist eine Vertuschungs-und Täterschutzorganisation“, wettert Rothwangl. Er selbst ist längst aus der Kirche ausgetreten, hat ein Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien mitinitiiert und ist in einer Plattform engagiert, wo Betroffene „sehen, dass sie mit ihrem Schicksal nicht alleine sind“.

Auf einen Blick

Sepp Rothwangl hat mit Tafeln, die Geistlichen in Begleitung von Kindern das Wandern durch seinen Wald im Mürztal verbieten, für Aufsehen gesorgt. Die Kirche reagiert erbost, die Politik mit einer Anzeige. Rothwangl war als Schüler Betroffener sexueller Übergriffe durch Ordensleute.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Priesterverbotstafel Anzeige gegen Aufsteller
Religion

Priesterverbotstafel: Anzeige gegen Aufsteller

Die BZÖ-Abgeordneten Grosz und Stadler sehen den Tatbestand der Verhetzung erfüllt. Indirekt werden durch die Tafeln sämtliche katholische Geistliche der Kinderschänderei bezichtigt.
Basilika Mariazell Pfarrerverbot
Religion

Priesterverbot auf Pilgerweg nach Mariazell

Auf einem Privatweg verbietet ein Schild, dass Jugendgruppen in Begleitung von Geistlichen pilgern. Der Besitzer will damit auf die Vertuschung von Missbrauch hinweisen. Rechtlich ist die Maßnahme zweifelhaft.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.